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Landkreis (Landratsamt) Regen

Beschreibung
Eines der Herzstücke des Bayerischen Waldes ist der Landkreis Regen. Er grenzt mehr als 35 km lang an die Tschechische Republik. Seine Randlage in Altbayern und diese Nachbarschaft zu Böhmen haben rund tausend Jahre lang das politische und wirtschaftliche Geschehen im Landkreis mitbestimmt, besonders schmerzlich im Dreißigjährigen Krieg und noch einmal während des Kalten Krieges als der Eiserne Vorhang das Leben an der Grenze lähmte.
Bis zum Jahre 1000 war das Gebiet des heutigen Landkreises Regen unbesiedelt, galt aber damals schon als "silva liminaris", als "Grenzwald". Er reichte von den höchsten Bergrücken des Gebirges im Norden bis fast zur Donau im Süden. In prähistorischer Zeit sind nach heutigem Forschungsstand zwar Fischer und Jäger in diesen Raum eingedrungen wie Steinbeilfunde bei Pirka und Wiesing beweisen, es dürfte aber kaum zu Siedlungen gekommen sein.
Die Besiedlung des "Grenzwaldes" erfolgte hauptsächlich von den Donauklöstern Niederaltaich und Metten aus sowie durch den Bischof von Passau (dieser z.B. um 1100 rund um Bischofsmais), weshalb aus der Sicht der Kolonisatoren das Gebiet "Nordwald" hieß. Metten begann am frühesten, nämlich schon im 9. Jahrhundert mit planmäßiger Besiedlung. Sie wurde durch die Hunneneinfälle unterbrochen (ab 907) und erst vom 11. bis 13. Jahrhundert durch die Grafen von Bogen weitergeführt. Als herausragender klösterlicher Siedlungspionier gilt der Heilige Gunther, ein Benediktiner, der 1011 in Rinchnach ein kleines Klösterchen gründete und von dort aus mit Rodungs- und Siedlungstätigkeit begann. Um die neuen Siedlungen und den Handel der Donauklöster mit Böhmen (Salz) militärisch zu schützen, wurde 1060 das Grafengeschlecht der Bogener eingesetzt. Es starb 1242 aus und alle seine Besitzungen, gerade auch die im "Nordwald", fielen an die Wittelsbacher und gehören seitdem zu deren altbayerischen Stammlanden.
Das Land war bis ins 14. Jahrhundert ein reines Kleinbauernland mit nahezu ausschließlicher Selbstversorgerwirtschaft, bis die Glasindustrie hier heimisch wurde. Sie nutzte die überreichlich vorhandenen Rohstoffe Holz und Quarz (geologische Besonderheit: das Quarzriff des "Pfahl"). Bis heute gehört der Landkreis Regen zu den europäischen Zentren der Glasherstellung und vor allem der handwerklichen und künstlerischen Glasveredlung. Eine weitere bedeutende wirtschaftliche Stütze des heute immer noch dünn besiedelten Landkreises (100 Einwohner/qkm) ist der Fremdenverkehr. Seine Wurzeln reichen zwar bis ins Jahr 1833 zurück (Gründung des Bayerischen Waldvereins), aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg nahm er seinen ungeheueren Aufschwung. Der Landkreis Regen zählt heute mit mehreren Millionen Übernachtungen im Jahr zu den führenden Fremdenverkehrsgebieten Bayerns. Die Öffnung der Grenze zur Tschechischen Republik und deren Mitgliedschaft in der EU bringen bisher noch nicht abzusehende wirtschaftliche Herausforderungen mit sich.
Das Landkreisgebiet liegt in einer vom Klima stark benachteiligten Zone. Der Frühling kommt dort in der Regel zweieinhalb Monate später als im Donautal. Fröste beginnen je nach Höhenlage im September und dauern bis Juni. Schnee liegt in manchen Jahren von Anfang November bis Ende Mai. Niederschläge fallen zu allen Jahreszeiten, besonders stark in den Sommermonaten und im Winter, je nach Höhenlage von 850 bis über 1900 mm. Die Böden des Landkreises sind durchwegs sehr junge Verwitterungsprodukte aus Granit und Gneis, der Kalk erreicht nirgends den 1%-Anteil.
Der größte Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche liegt zwischen 500 und 800 m Höhe. Die Acker- und Grünlandzahlen liegen überwiegend zwischen 30 und 40. Bis ins erste Viertel des 20. Jahrhunderts waren die Acker- und Grünlanderträge mangels ausreichender Düngung, mäßiger Bodenbearbeitung und fehlendem Saatgutwechsel ungenügend. Sprichwörtlich war seit der Einführung von landwirtschaftlicher Schule und Beratung bald nach dem Ersten Weltkrieg der zähe Widerstand der Bauern gegen all das Neue, das im Widerstreit zu den überlieferten Betriebsformen stand. Berater fühlten sich jahrzehntelang als "Prediger in der Wüste". Dieses Beharrungsvermögen der vornehmlich bäuerlichen Bevölkerung hat aber auch sein Gutes, denn heute kann sich kaum ein anderer bayerischer Landkreis einer so eigenartigen und auffälligen Mundart, nämlich des "Wäldlerischen" rühmen.
Von der Gesamtfläche des Landkreises sind zwei Drittel Wald. Der Landkreis Regen kann für sich das Primat in Anspruch nahmen, aus diesem Wald 1967 den ersten Naturpark in Niederbayern geschaffen zu haben. 1997 wurde das Schutzgebiet des Nationalparks Bayerischer Wald in den Zwieseler Winkel (Falkensteingebiet und Schachten) beträchtlich erweitert. Damit bekam der Landkreis Regen Anteil an dem seit 1970 bestehenden Nationalpark auf dem Gebiet des Nachbarlandkreises Freyung-Grafenau.
Auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche hat das Grünland in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen. Deswegen bildet heute eine vorbildliche Rinderhaltung, in manchen Gegenden auch Schafhaltung, das wirtschaftliche Rückgrat der Landwirtschaft. Kleinbetriebe herrschen immer noch vor, weil allein das kleinräumige Relief der Landschaft großflächige Landwirtschaft aus wirtschaftlicher Sicht unmöglich macht. Zudem gelten die Bayerwaldbauern als ausgesprochen sesshaft auf ihren sehr oft in eine zauberhafte Landschaft eingebetteten Gehöften. Dennoch zwang das raue Klima im Verein mit wirtschaftlicher Ungunst bereits in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ganze Weiler zur Absiedlung, das bekannteste Beispiel ist die Oberbreitenau bei Bischofsmais.
Das kulturelle Erbe der Bauern, Holzer und Glasmacher wird zunehmend gewürdigt und gepflegt, wozu auch das Interesse der Fremdenverkehrsgäste beiträgt. Im Landkreis gibt es eine Fülle von Boden- und Flurdenkmälern. Sehr selten sind wegen der dünnen prähistorischen Besiedlung Zeugnisse der Vorgeschichte. Häufiger treten Zeugen der mittelalterlichen Zeit auf in Form von Bodendenkmälern wie Burgställe, Turmhügel, Kultsteine, Erdställe. Zahlreich treffen wir Flurdenkmäler an wie Weg- und Feldkreuze, Totenbretter, Marterln, Bildstöcke, Feldkapellen - vor allem als Zeugnisse des christlichen Glaubens. Im Gebiet des Landkreises Regen sind auch einige Sühnekreuze erhalten geblieben, vielfach sind sie von Legenden umwoben.
Charakteristisch für die Landschaft des Bayerischen Waldes sind die Totenbretter. Der alte Brauch entstand, als es früher noch keine Leichenhäuser gab und die Leichen daher in der Stube auf einem Brett aufgebahrt und auf diesem zum Friedhof getragen wurden. Die Totenbretter stellte man dann in der Ortsflur auf. In späterer Zeit wurden diese Bretter vorher einem Schreiner übergeben, der sie verzierte und auch beschriftete. Zur Zeit der Aufklärung wurde das Aufstellen von Totenbrettern untersagt, trotzdem erhielt sich der Brauch lebendig, auch als die Toten nicht mehr im Wohnhaus auf einem Brett aufgebahrt wurden. Seit den fünfziger Jahren des gerade vergangenen Jahrhunderts regte der Bayerische Waldverein an, die bestehenden Totenbretter zu erhalten und den Brauch zu erneuern. Die Bretter, die jetzt zum Andenken an die Verstorbenen errichtet werden, sind aber keine Totenbretter im ursprünglichen Sinn mehr, da ja kein Toter auf ihnen gelegen hat, sondern Gedenkbretter in Gestalt der früheren Totenbretter. An einigen Orten, z.B. Gotteszell, Linden, Arnbruck, Drachselsried, gibt es Totenbretteransammlungen. Sie werden von Vereinen liebevoll gepflegt.
Bis in die heutigen Tage werden immer wieder Steinsäulen, Feld- und Wegkreuze errichtet. Die Steinsäulen nehmen meist in einer Nische ein Bild oder eine Figur auf. Eine bemerkenswerte Säule steht beim Stegmühlhäusl in Ruhmannsfelden. Sie trägt die Jahreszahl 1687. Wahrscheinlich wurde sie zum Gedenken an die vielen Toten des 30jährigen Krieges errichtet.
Zeugen des frommen Sinnes der Bewohner des Bayerischen Waldes sind die Kreuzwege. Auch im Landkreis Regen gibt es mehrere, z.B. in Viechtach beim Antonikircherl am Antonipfahl oder auf dem Kalvarienberg bei Gotteszell. Überaus groß ist die Zahl der Kapellen, die man in der Flur, an Wegrändern findet. Oft gehen sie auf ein Versprechen zurück, vielfach sind sie der Muttergottes geweiht.
Mehrere Bauernhausmuseen zeigen vornehmlich die Wohnkultur der vergangenen Jahrhunderte, so in Lindberg, Vorderdietzberg und im Waldmuseum in Zwiesel. Dem Glasgewerbe sind ebenfalls ausgezeichnete Museen gewidmet: in Frauenau, Viechtach, Zwiesel und Theresienthal. Denkmalgeschützte bäuerliche Gebäude sind z.B. in Thalersdorf (Getreidekasten) oder Arnbruck (Leibtumshäusl) erhalten. Allerdings ist der Landkreis sonst arm an altertümlichen Profanbauten. Neben wenigen Ruinen (z.B. Burgen in Kollnburg und Neunußberg) gibt es nur eine einzige erhaltene Burg: Weißenstein geht wahrscheinlich auf das 13. Jahrhundert zurück.
Gemessen an der Kargheit der Gegend und einer entsprechenden Armut der Bewohner erstaunt die Pracht vieler sakraler Bauten. Einheitliche Bauwerke der Romanik sind nicht mehr erhalten, aber späte Ausläufer erblickt man in der frühgotischen Klosterkirche von Gotteszell. Stärkerer Baubetrieb setzt erst im 15. Jahrhundert ein, z.B. Pfarrkirche in Regen (1473). Gotische Chorbauten und Türme finden sich auch in Dorfkirchen. Dort steht auch eine beachtliche Zahl sehr guter gotischer Figuren. Das einzige kirchliche Bauwerk aus der Renaissance ist die Brunnenkapelle bei der Wallfahrtskirche St. Hermann (1611) in der Nähe von Bischofsmais. Aus der Barock- und Rokokozeit stammen zahlreiche Kirchenbauten und Kirchenausstattungen. Zu den Kleinoden des Landkreises gehört die kleine Kirche in Sackenried mit gotischem Chor und barockem Hochaltar und die Rokokokirche in Rinchnach (1727 von Johann Michael Fischer erbaut). Der schönste kirchliche Rokokoraum befindet sich in Frauenau. Die dortige spätgotische Kirche (1396) gilt als "steinernes Dokument für die Rodungstätigkeit und Christianisierung der Niederaltaicher Benediktinermönche im 'Nordwald'" (Isfried Griebel). Sie hat eine einheitliche Inneneinrichtung, die um 1767 entstand. Berühmt ist das Deckenfresko von Franz Anton Rauscher (731-1777), das die Tausende Male in bayerischen Kirchen dargestellte Aufnahme Mariens in den Himmel zeigt.
Der Bayerische Wald gehört zu den reichsten und vielseitigsten Gebieten der Hinterglasmalerei. Die Hinterglasmaler im Landkreis Regen waren bis auf wenige Ausnahmen ländliche Maler, die innerhalb ihrer üblichen Malerausbildung auch die Technik der Hinterglasmalerei erlernt hatten. Die volkstümliche Hinterglasmalerei war vom achtzehnten bis noch ins zwanzigste Jahrhundert weit verbreitet, da die Nachfrage nach Andachtsbildern, Votivbildern, Arme-Seelen-Tafeln oder ganzen Kreuzwegen rege war. Ein solcher ländlicher, aber guter und einfallsreicher Kreuzweg mit 14 Stationen hat sich in Moosbach erhalten, er hat im Bayerischen Wald inzwischen Seltenheitswert erlangt.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche
Literatur
-Der Landkreis Regen. Heimat im Bayerischen Wald. (Hrsg. v. Kreistag des Landeskreises Regen und Landrat Helmut Feuchtinger.) Regen 1982
-Pause, Walter/Heiss, Werner:
Wandern im Bayerwald. München 1969