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Landkreis (Landratsamt) Schwandorf

Beschreibung
Das "Herzstück der Oberpfalz" nennt sich der Landkreis Schwandorf, denn seine überdurchschnittlich große Fläche kettet die Nord- und Südhälfte des Regierungsbezirks aneinander. Im Nordosten hat Schwandorf eine 17 km lange Grenze mit Tschechien, was diesem Landstrich bis zum Zusammenbruch des Sozialismus das Gefühl gab, "mit dem Rücken zur Wand" zu stehen. Tatsächlich war Schwandorf damals der Problemlandkreis Nummer 1 in Bayern (hohe Arbeitslosigkeit, starke Abwanderung). Erst seit den 90er Jahren geht es in dieser alten Industrieregion wieder kräftig aufwärts.
33 Gemeinden gehören zum Landkreis, die Große Kreisstadt Schwandorf mit 27.000 Einwohnern ist die bevölkerungsreichste, der ganze Landkreis hat knapp 145.000 Einwohner, was was bei einer Größe von rund 1.500 km2 eine Bevölkerungsdichte von 98 Einwohnern/km2 ergibt. Der Landkreis weist zwei naturräumliche Einheiten auf: den Oberpfälzer Wald im Nordosten und das oberpfälzische Hügelland im Südwesten. Der höchste Punkt mit 898 m liegt unmittelbar an der tschechischen Grenze ("Weingartenfels"), der niedrigste mit 342 m dort, wo die Naab das Gebiet des Kreises verlässt. Die Naab ist auf 40 km von Nord nach Süd der Hauptfluss, sie bildet die natürliche Hauptachse für Siedlung und Verkehr. Die mittleren Jahrestemperaturen liegen zwischen 7-8 Grad C. Die Niederschläge bewegen sich zwischen 700 und 900 mm. Ausgedehnte Weihergebiete und nach Rekultivierung der Mondlandschaften des Braunkohleabbaus (1982 endgültig geschlossen) entstandene Seen machen Schwandorf zum wasserreichsten Landkreis Nordbayerns.
Das älteste Gestein, das sich auf Landkreisboden nachweisen lässt, sind Gneise, das zweitälteste Granite, in deren Gefolge Flussspatlager entstanden (abgebaut bis 1987) und die berühmte Quarzspalte des "Pfahl". Im Südwesten gehört ein Teil des Oberpfälzer Jura mit Kalkbänken zum Kreis; in der späten Jurazeit bildeten sich Eisenerzvorkommen, die bis ins 19. Jahrhundert hinein genutzt wurden. Im 14./15. Jahrhundert lag hier sogar der Schwerpunkt der deutschen Eisenproduktion und Schwandorf zählte zu den reichsten Regionen des Reiches. Im Tertiär entstanden umfangreiche Braunkohlefelder sowie industriell nutzbare Tone und Sande. Im Schwandorfer Becken und der Bodenwöhrer Senke, zwei weithin ebenen Landschaftsteilen, sammelten sich diluviale Schotter und Flugsande.
Die Landwirtschaft fand allenfalls im Naabtal einigermaßen günstige natürliche Voraussetzungen. Sie war immer kleinbäuerlich und ihre Menschen bis zum Anfang der Industrialisierung bettelarm. Heute gibt es nur noch 2.500 Bauernhöfe. Sie bauen vornehmlich Futterpflanzen und Getreide an und halten Rinder und Schweine, der früher bedeutende Kartoffelbau ("Erdäpfelpfalz") ging stark zurück. Eingebrochen ist auch die bis in die 90er Jahre namhafte Geflügel- und Eierproduktion. Schwandorf ist mit 600 teichwirtschaftlichen Betrieben Bayerns wichtigster Erzeuger von Karpfen. Die üblichen sozialen Probleme kleinbäuerlicher Agrarstruktur plagen auch die Bauern im Landkreis Schwandorf: Überalterung der Betriebsleiter, Hoferben fehlen bzw. finden keine Frauen.
Das agrarkulturelle Erbe muss unter solchen Umständen schmal ausfallen. Von den einst mehr als Zehntausend schindel- und strohgedeckten Dächern im Landkreis sind nur noch zwei übrig: eines im Oberpfälzer Bauernhofmuseum in Perschen bei Nabburg und eines auf der Hammermühle in Teunz. Alte Oberpfälzer Bauernhäuser mit ihrer charakteristischen Putzgliederung, sind fast ausnahmslos verschwunden. Für die wenigen liebevoll renovierten "Oberpfälzer Bauernhäuser" ist der Dreiseithof des "Öle-Bauern" in Fuchsendorf ein herausragendes Beispiel.
Heute ist Schwandorf mit 65.000 ha der waldreichste Landkreis Ostbayerns, im Südwesten dominiert die Kiefer, im Nordosten die Fichte. Infolge der früheren Eisen- und Glasindustrie war der Wald Jahrhunderte lang einem schlimmen Raubbau ausgesetzt.
Die Vor- und Frühgeschichte des Gebietes ist inzwischen gut dokumentiert. Aus den archäologischen Funden lässt sich schließen, dass der Landkreis sehr frühzeitig in nahezu allen Landkreisteilen bevölkert war. Altsteinzeitliches Gerät fand sich in den klimatisch begünstigten Flusstälern, in der mittleren Steinzeit lassen sich erste Anfänge menschlicher Siedlungen nachweisen. Um 4000 v. Chr. sind alle Teile des Landkreises besiedelt, allerdings reißt die Fülle der Funde mit Beginn der römischen Kaiserzeit ab und setzt erst wieder ein, als die Römer abgezogen waren. Das Land im nördlichen Vorfeld des Limes scheint die Menschen abgestoßen zu haben. Nur ganz wenige, weit verstreute Funde römischer Münzen, einiger Messerbeschläge und eines Gürtelhakens aus römischer Produktion gab die Erde bisher frei. Ab etwa 400 n. Chr. wandern Germanen in den Landstrich ein, nach 550 n. Chr. nimmt die Zahl der archäologischen Funde wieder zu. Über die Pässe aus Böhmen setzte etwa ab dem 6. Jahrhundert slawische Besiedelung ein. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts muss dann das bayerische Siedlungswerk schon begonnen haben, denn da ist 805 n.Chr. der erste urkundlich belegbare Ort im Landkreis erwähnt: Premberg.
Im Laufe der weiteren Geschichte war das Landkreisgebiet fast nie eine politische Einheit. Seine Teile wurden von unterschiedlichen Besitzern hin und her gehandelt oder erheiratet und häufig im Erbgang geteilt. Im Mittelalter war die Oberpfalz als Nordgau bekannt, was auf die Richtung der bayerischen Besiedelung hinweist: von der Donau aus nach Norden. Es sind die Wittelsbacher, die ab 1100 n. Chr. durch eine geschickte Heirats-, Erbschafts- und Kaufpolitik überall Einfluss errangen. Ihnen kam zugute, dass im 12. und 13. Jahrhundert vormals wichtige bayerische Adelsgeschlechter ausstarben, so dass ab dem späten 13. Jahrhundert der gesamte Landkreis im Besitz der wittelsbachischen Herzöge ist. Die erste Teilung des Nordgaues wurde 1329 besiegelt. Das Kreisgebiet wurde auf zwei neue wittelsbachische Linien aufgeteilt: Rheinpfalz und Oberbayern. Von nun an war die Region immer nur Nebenland eines weitab liegenden Fürstentums. Im 14. Jahrhundert beobachten wir ein verwirrendes Durcheinander von Erbteilungen, Tausch-, Pfand und Schachergeschäften. So erwarb auch Kaiser Karl IV Rechte an Oberpfälzer Gebieten ("Neuböhmen"), was Jahrhunderte lang (bis 1808) zu böhmischen Lehensverhältnissen im Schönseer Gebiet führte und damit an dieser Stelle eine endgültige Grenzziehung zwischen Böhmen und Bayern verschleppte. Das Verhältnis zu Böhmen war öfter sehr angespannt. Davon zeugt eine dichte Kette von Burgen, von denen die schönsten heute noch im Regental (Hof und Stefling), im Schwarzachbergland (Murach bei Oberviechtach) sowie im Naabtal zu finden sind (Wernberg, Trausnitz, Burglengenfeld, Leonberg). Gänzlich zerstört wurde das nachbarschaftliche Verhältnis durch die Hussitengefahr (1420-1433). Die verheerenden Raub- und Mordzüge der Hussiten blieben Jahrhunderte lang im Gedächtnis der Bevölkerung. Das Festspiel "Vom Hussenkrieg" in Neunburg vorm Wald erinnert heute noch daran.
Die Wittelsbacher teilten ihre Oberpfälzer Besitzungen munter weiter, so dass 1505 nach dem Landshuter Erbfolgekrieg durch Schiedsspruch des Kaisers ein neues Fürstentum, Pfalz-Neuburg, geschaffen wurde, zu dem nun auch ein Teil des Nordgaues mit der bedeutenden Residenz in Burglengenfeld gehörte. Als nicht-wittelsbachische Herrschaft regierte im heutigen Landkreis bis 1646 auch noch das Geschlecht der Leuchtenberger.
Diese herrschaftliche Vielfalt führte in der Reformationszeit zu langwierigen Glaubenskämpfen. Luthertum und Calvinismus stritten untereinander und gegen die katholische Kirche. Neunburg vorm Wald wechselte in 70 Jahren fünfmal die Konfession. Ab 1625 setzte mit dem 30jährigen Krieg die Gegenreformation ein. Sie trieb die führenden Schichten der Gegend in die Emigration, worunter die Oberpfälzer Wirtschaft in der Folgezeit schwer zu leiden hatte. Noch schlimmer litt das Land unter dem Krieg, an dessen Ende die Bevölkerung um 40% geschrumpft war und überall schwerste Schäden beklagt werden mussten. Danach wälzten sich noch vier weitere Kriege durch das Landkreisgebiet. Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) nahm 1705 der nachmals berühmte Widerstand der bayerischen Bauern gegen die österreichische Besatzung seinen Ausgang im Landkreis. Der österreichische Erbfolgekrieg (1741-1748) verbindet sich mit der Schreckgestalt "Trenck der Pandur". Seine Taten werden von der Bevölkerung heute noch in einem Festspiel dargestellt. 1809 verheerten die Napoleonischen Kriege den Landstrich. Zum letzten Mal fügten Luftangriffe und Bodenkämpfe am Ende des Zweiten Weltkrieges dem Gebiet schwere Schäden zu.
Die kirchliche Kunstlandschaft spiegelt das wider: fast nirgends ist die Inneneinrichtung einer Kirche oder eines Klosters älter als aus der Barockzeit. Im Grunde besitzt der Landkreis eine romanisch-gotische Kirchenlandschaft, sie wurde in der Zeit der großen Glaubenserneuerung nach 1600 jedoch fast durchgängig barockisiert. Kein voll romanischer Bau ist erhalten, aber der Karner neben der Kirche zu Perschen, erbaut nach 1250, ist mit seinen eindrucksvollen romanischen Wandmalereien ein herausragendes kirchenbauliches Zeugnis der frühen Zeit. Bedeutendste gotische Kirche ist die noch vor 1400 begonnene Stadtpfarrkirche "St. Johannes Baptist" in Nabburg. Zwar gibt es auch viele in der Anlage gotische Landkirchen, aber sie wurden später alle verändert. Aus der Renaissance, der Zeit der Glaubenwirren, gibt es keine kirchlichen Bauten, wohl aber Schlösser, so z.B. Münchshofen bei Teublitz. In Barock und Rokoko entstehen sehr viele Kunstdenkmäler, darunter herausragend das Deckenbild von Cosmas Damian Asam in der Schlosskapelle von Pirkensee. Vorzügliche Kirchenausstattungen finden sich auch auf dem Lande, z.B. in Wiefelsdorf, Rottendorf, Dieteldorf, Teunz.
Um die vielen kleinen Baudenkmäler im Landkreis kümmert sich ein Arbeitskreis für Flur- und Kleindenkmalforschung. Ein Beispiel aus seiner Arbeit ist die Rettung der Feldkapelle am Alten Postweg im Dorf Roding bei Burglengenfeld. 50 Steinkreuze, meist als Sühnekreuze gedeutet, werden geschützt. Ein besonderes Denkmal ist ein steinerner Säulenbildstock aus der vorreformatorischen Zeit, der die Bilderstürmerei der Reformation und Säkularisierung überstanden hat: der "Bauernfeind" von Diendorf, ein religiöses Monument aus der Gotik, das möglicherweise 1407 entstanden ist. Ungewöhnlich sind auch die 50 Glockentürme, die in kleinen Ortschaften ohne Kirchen und Kapellen stehen, z.B. in Obermurach, Weiherhäusl, Schönau, ihre Glocken werden noch täglich zu den Gebetszeiten geläutet.
Im Landkreis gibt es 15 Museen. Reiche agrarkulturelle Objekte beherbergen sechs davon, an erster Stelle das Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath-Perschen. Dort ist außerdem auf 35 ha die Kulturlandschaft der Oberpfalz vor der Industrialisierung rekonstruiert worden und wird auf traditionelle Weise weiter bewirtschaftet. Alte Nutztierrassen wie das Oberpfälzer Rotvieh, Waldschafe, schwäbisch-hällische Schweine und eine Nachzüchtung des mittelalterlichen Weideschweins werden gehalten. Agrarkulturerbe bewahren auch das Oberpfälzer Volkskundemuseum in Burglengenfeld und Heimatmuseen in Mappach, Seebarn, Schwandorf und im Schwarzachtal.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche
Literatur
-Jahresband zur Kultur und Geschichte im Landkreis Schwandorf, Band 1 (1990) bis 16/17 (2005/2006) (Hrsg. v. Landkreis Schwandorf.)  
-Siegert, Toni:
Landkreis Schwandorf. Das große Heimatbuch Regensburg 1993