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Landkreis (Landratsamt) Freyung-Grafenau

Beschreibung
Der Landkreis Freyung-Grafenau ist der am weitesten nach Osten vorgeschobene Teil Bayerns. Er grenzt auf 59 km Länge an Tschechien und auf 8 km an Österreich. Am 1321m hohen Dreieckmark stoßen die drei Länder zusammen. Der Landkreis ist mit etwas über achtzig Einwohnern pro qkm nur halb so dicht besiedelt wie Bayern als Ganzes. Er ist 984,2 qkm groß und hat 82.363 Einwohner (31.12.2003). Drei kleine Städte (unter 10.000 Einwohner) und drei Märkte sind die größten Siedlungen. Die Dörfer des Landkreises bestehen meistens aus einem nicht sehr großen Ortskern und weit verstreuten Weilern und Einöden.
Das Klima ist ausgesprochen rau. Die mittlere Jahrestemperatur liegt je nach Höhenlage (tiefster Punkt 340 m, höchster Punkt 1453 m) zwischen 4 und 7 Grad C. Spätfröste kommen bis Ende Juni, Frühfröste ab Anfang September vor. Starke Winde ("der Böhmwind") hemmen das Pflanzenwachstum und richten immer wieder schwere Schäden in den Wäldern an. In den landwirtschaftlich nutzbaren Gebieten (500-800 m NN) regnet es zwischen 900 und 1200 mm pro Jahr, gehäuft im Juni/Juli und im Winter in Form von Schnee (von Oktober bis Mai).
Die flachgründigen, häufig mit Steinen, ja sogar Felsen durchsetzten Böden sind karg, da sie aus den nährstoffarmen Gesteinen Granit und Gneis entstanden sind, ungenügend Wasser binden, selten über pH 5,5 liegen und dementsprechend nur Ackerzahlen zwischen 30 und 40 aufweisen. Nur ein Drittel der Flächen sind einigermaßen eben. Die Steine haben die Bauern in Jahrhunderte langer Arbeit zu Steinriegeln aufgeschichtet. Sie sind ein prägender Bestandteil der Landschaft. Dem Schutz dieser Landschaft mit dem größten zusammenhängenden Waldgebiet Mitteleuropas dienen der erste deutsche Nationalpark (eröffnet 1970) entlang der tschechischen Grenze, 14 Naturschutzgebiete, 6 Landschaftsschutzgebiete, 8 Wildschutzgebiete und 70 Naturdenkmale (z.B. Felsgruppen, Hochmoore, Einzelbäume wie ein alter Spitzahorn in Falkenbach oder eine alte Linde bei Grainet-Neudorf). Aufgrund der großartigen Landschaft ist der Fremdenverkehr mit zum wichtigsten Erwerbszweig im Landkreis geworden (3 Mio. Übernachtungen im Jahr). Die Forstwirtschaft (je 50% Staats- und Privatwald) ist einer der ältesten Industriezweige im Landkreis. Noch immer stellt die Holzverarbeitung die größten Industriebetriebe. Die bis ins Mittelalter zurückreichende Glasindustrie erlebte ein wechselvolles Schicksal, ist aber heute mit Bleikristallwerken in Riedlhütte und Spiegelau auf dem Sektor hochveredelter Gläser international führend. Schwierige Zeiten durchlebt die traditionell sehr viele Menschen beschäftigende Stein-, Bau- und Textilindustrie. Bis in die Landeshauptstadt München beliebt sind die kunstsinnigen Handwerker aus dem Bayerischen Wald (Innenausbau, Schreinerei, Steinarbeiten).
Von der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden heute 80% als Grünland genutzt. Darauf fußt eine ausgezeichnete Milchwirtschaft. Dennoch ist die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft gering. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg diente sie im Wesentlichen der Selbstversorgung der Bauernfamilien auf ihren fast durchweg für heutige Begriffe sehr kleinen Höfen. Viele davon entstanden auf den Rodungen, welche die wandernden Glashütten (erste Nennung 1438) hinterließen, die Staatsforstverwaltungen teilten ihrem Stamm an Waldarbeitern ebenfalls kleine Ackerflächen zu. Selbst die städtischen Handwerker waren nebenbei Kleinbauern.
Die Besiedelung des Gebietes, das heute den Landkreis bildet, ging in der gleichen Weise vor sich wie im übrigen Bayerischen Wald. Auch in Freyung-Grafenau sind nur wenige vorgeschichtliche Überreste bekannt (steinzeitliches Kleinwerkzeug). Zwei zwischen 1964 und1972 bei Rosenau gefundene Bronzebeile wurden als magische Blitzschutzgeräte zweitverwendet: sie wurden - wie bis ins 18. Jahrhundert üblich - in Häusern eingemauert. Aus dem Mittelalter stammen unterirdische Gänge und Kammern, die "Erdställe", von denen man annimmt, dass sie als Verstecke und Fluchtwege in unsicheren Zeiten dienten, vielleicht sogar als Versammlungsräume von Häretikern.
Auch in Freyung-Grafenau waren es die Donauklöster Niederaltaich und Niedernburg/Passau, die Anfang des 11. Jahrhunderts erste Pioniersiedlungen in dem damals geschlossenen "Nordwald" anlegten. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts waren fast alle heutigen Orte im Landkreis gegründet. Aus dieser Zeit der Rodung sind noch Streifen- und Radialfluren erhalten, z.B. rund um Grainet und Kreuzberg. Infolge der historischen Agrarkrise in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden eine ganze Reihe von Ansiedlungen aufgegeben. Lesesteinwälle in den Wäldern sind häufig die einzigen Überbleibsel. Absiedelungen von Dörfern und Höfen gab es jedoch bis in die Gegenwart. Beispiele sind die Waldhufendörfer Leopoldsreut, Schwendreut, Herzogsreut (alle 1618 gegründet und bis 1963 abgesiedelt) und sogar noch später die Weiler Heimbrechtsreuth und Glotzing sowie Dutzende von Einzelhöfen. Mehrere tausend Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche sind allein seit dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgeforstet worden. Der Landkreis trägt heute auf 54% seiner Fläche Wald, manche Gemeinden sind bis zu 85% bewaldet. Das Waldgeschichtliche Museum in St. Oswald zeigt diese Entwicklung.
Bis zur Neuordnung Bayerns im Zuge der napoleonischen Kriege und der Säkularisation 1803 gehörte die eine Hälfte des Landkreises (Wolfstein mit Freyung) zum Fürstbistum Passau ("Abteiland"), die andere Hälfte (Grafenau) zu Kurbayern. Noch lange hielten sich Rivalitäten zwischen den einst zu verschiedenartigen Herrschaften gehörigen Bevölkerungen. Durch den heutigen Landkreis zog die schon seit der Jahrtausendwende benutzte Via Boemorum, jetzt als "Goldener Steig" bekannt, eine Salzhandelsstraße von Passau nach Prachatitz in Böhmen. Auf ihr wurde Salz aus Hallein und Berchtesgaden, das per Schiff nach Passau kam, auf Saumpferden weitergeführt. Der Handel war lukrativ und nährte viele Orte an diesem Salzweg. Muldenartige Vertiefungen und Hohlwege sowie die 1590 erbaute steinerne Brücke über den Osterbach bei Bruckmühle (nahe Röhrnbach) sind noch in der Landschaft zu sehen. Das Spezialmuseum "Goldener Steig" in Waldkirchen dokumentiert diesen "bedeutendsten mittelalterlichen Saumhandelsweg Süddeutschlands". In Grafenau steht ein bronzenes Säumerdenkmal, in Fürholz wurde eine Säumerherberge beispielhaft restauriert.
Im Vergleich mit dem angrenzenden Donauraum ist der Landkreis nicht gerade reich an Kunstdenkmälern. Dennoch enthält die Denkmalsliste 824 Objekte. Die schönste spätgotische Dorfkirche, St. Brigida (2. Hälfte des 15. Jahrhunderts), steht in Preying. Weitere bemerkenswerte dörfliche Kirchen sind z.B. St. Anna in Kreuzberg, St. Johannes in Kirchberg bei Schönberg auf romanischen Grundmauern und die "Scharten-Kapelle" St. Michael bei Solla. Ebenfalls aus gotischer Zeit (1396) stammt das einzige Kloster im Landkreis, St. Oswald, allerdings ist aus dieser Zeit nur mehr eine Holzfigur des Kirchenpatrons erhalten. Die romantische Bründl-Kapelle, unweit von Thurmansbang, stammt aus dem Jahr 1712 und wurde neben einer als heilkräftig gegen Augenleiden geltenden Quelle errichtet. Aus dem 18. Jahrhundert stammen mehrere Dorfkirchen, u.a. die Pfarrkirche St. Michael in Röhrnbach oder die Dreifaltigkeitskirche in Grainet mit einer spätgotischen Holzfigur des Hl. Wolfgang. Zahlreiche kleine hölzerne Dorf-, Feld- und Waldkapellen sind erhalten, die schönste, erbaut 1766, in Unterseilberg gegenüber dem Glaserhof, zu dem sie gehört; 23 Bilder mit Motiven aus der Erlösungs- und Heiligengeschichte füllen die Seiten- und Deckenflächen.
Die bedeutendsten Profanbauten im Landkreis sind das Schloss Wolfstein aus dem 13. Jahrhundert (mit landkreiseigener Kunstsammlung, Jagd- und Fischereimuseum), die Burg Fürsteneck und die Saldenburg. Ruinen weiterer Burgen und zahlreiche Burgställe bezeugen die Vorkehrungen der Obrigkeiten zum Schutz ihrer neuen Siedlungen im Grenzwald gegen Übergriffe, insbesondere aus Böhmen. Verhältnismäßig gering ist die Zahl der Bürger- und Bauernhäuser, die als Kulturdenkmäler erhalten blieben. Das Schramlhaus, ein "städtisches Bauernhaus" in Freyung, beherbergt jetzt das Wolfsteiner Heimatmuseum, zwei wieder aufgebaute, aus anderen Orten stammende Bauernhäuser mit dazugehörigem Troadkasten und einer Remise dienen als Unterkunft des Grafenauer Bauernmöbelmuseums. Umfangreichere Gebäudesammlungen sind in den Freilichtmuseen Finsterau und Tittling zu sehen. Kleinere heimatkundliche Sammlungen gibt es in Bischofsreut (Waldmuseum), Lackenhäuser und Röhrnbach (Kaltenbacher Heimatstube). An agrarkulturell bemerkenswerten Einzelgebäuden sind u.a. zu nennen: Blockbau eines Getreide-Kastens aus dem Jahr 1788 in Kanau bei Waldkirchen, der Ameishof in Waldhäuser (1774), ehemaliges Wirtshaus in Schiefweg aus dem 18. Jahrhundert (Geburtshaus der Waldlerdichterin Emerenz Meier, 1874-1928), das Rosenbergergut in Lackenhäuser aus dem Jahr 1818 mit einer Gedenkstätte für den Dichter Adalbert Stifter, der Schlossbauernhof in Fürstberg aus dem 16. Jahrhundert, eine Baugruppe in Panhof/Markt Schönberg, ein geschlossener Vierseithof in Ödhof bei Kumreut. Einmalige Baudenkmäler aus dem früheren Handwerkerleben sind die Getreide- und Sägemühle am Ginghartinger Bach bei Lindau unweit von Thurmansbang, die Ettlmühle an der Ilz bei Eberhardsreuth, die Buchbergmühle an der Wolfsteiner Ohe (1755) und eine der letzten noch original erhaltenen Hammerschmieden Ostbayerns, der Furthhammer, in der Nähe von Haus im Wald. Auffällige Reste umfangreicher baulicher Anlagen inmitten der Wälder stammen von den Triftanlagen, die im 18. und 19. Jahrhundert zum Transport des Holzes mithilfe von Wasser angelegt wurden, darunter Stauweiher (Klausen) an den Oberläufen der Bäche und mit Holz ausgeschlagene Triftkanäle. Zahlreiche Flurdenkmale sind landestypische Zeichen der Volksfrömmigkeit, darunter schöne Zeugnisse der Steinmetz- und Holzschnitzerkunst wie mittelalterliche Steinkreuze, Pestsäulen, Waffen-Christi-Kreuze und Wetterkreuze. Profanen Zwecken dienen die hier und da noch erhaltenen steinernen Hausbänke mit geschwungenen Lehnen, bis über fünf Meter lange granitene Wassergranden, mit Ornamenten und Inschriften verzierte Tür- und Toreinfassungen an Bauernhäusern.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche
Literatur
-Das Bild eines altbayerischen Kreises, Grafenau, Rachel - Lusen - Sonnenwald, Bayerischer Wald. (Hrsg. v. Kreistag des Landkreises Grafenau, Landrat Karl Bayer.) Grafenau 1972
-Der Landkreis Freyung-Grafenau (Hrsg. v. Landkreis Freyung-Grafenau.) Freyung 1982
-Der Landkreis Wolfstein (Hrsg. v. Heimatkundlicher Arbeitskreis Wolfstein.) Wolfstein 1968
-Paulus, Karl-Heinz:
BILDschöner Landkreis Freyung-Grafenau. Grafenau 1997