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Landkreis (Landratsamt) Aichach-Friedberg Beschreibung | |
Die bayerische Verwaltungsreform von 1972 gliederte den neu geschaffenen Landkreis Aichach-Friedberg in den Regierungsbezirk Schwaben ein, obwohl das Gebiet historisch immer zu Altbayern gehört hatte. Die einheimische Bevölkerung spricht denn auch bayerischen Dialekt. Der Lech, diese uralte Grenze zwischen den Siedlungsräumen der Alemannen und der Bajuwaren, blieb in diesem Fall unbeachtet, denn Aichach-Friedberg liegt östlich, also auf der bayerischen Seite des Flusses und stößt wie ein stumpfwinkliges Dreieck mit der Spitze tief in oberbayerisches Gebiet hinein. Ein Grund für diese historisch unbegründete Verwaltungseinteilung liegt in der starken wirtschaftlichen Verflechtung des Landkreises mit der schwäbischen Großstadt Augsburg. Die Stadt Friedberg ist inzwischen mit Augsburg zusammengewachsen. Aichach-Friedberg ist heute ein mittelgroßer Landkreis mit knapp 130.000 Einwohnern in 22 Gemeinden, die Bevölkerungsdichte liegt bei 163 Einwohnern je qkm, die Bevölkerung wächst wegen der vielen Arbeitsplätze in diesem Raum. In der Werbung stellt man sich gerne als "der altbaierische Landkreis in Schwaben" und als "Wittelsbacher Land" vor.
Die Gegend muss - vor- und frühgeschichtlichen Funden nach zu schließen - seit Tausenden von Jahren vom Menschen genutzt worden sein. Allein in der Gemarkung Eurasburg liegen über hundert Hügelgräber aus der Hallstattzeit. "Wittelsbacher Land" zu sein, ist ein berechtigter Anspruch. Nach der Landnahme durch Bajuwaren im 7. und 8. Jahrhundert, die von den im Osten verlaufenden Flüssen Isar und Amper aus westwärts bis an den Lech erfolgte, traten um das Jahr 1000 urkundlich fassbare Adelige als Grundherren auf. So waren z.B. die Grafen von Kühbach, Stifter des dortigen Klosters vor 1025, zumindest im Nordteil des heutigen Landkreises begütert. Sie waren die Vögte des Hochstifts Freising und wurden irgendwie und irgendwann beerbt von den Grafen von Scheyern und den Wittelsbachern. Ein Graf von Wittelsbach, abstammend von den Grafen von Scheyern, wird erstmals 1115 in einer Königsurkunde genannt und 1121 wird dieser Otto von Wittelsbach zum ersten Mal als Pfalzgraf bezeichnet. Seine Burg in Oberwittelsbach wird gerne als Stammsitz der Wittelsbacher Dynastie bezeichnet, die in Bayern bis 1918 regierte. Heute steht auf dem Burghügel noch eine "Sühnekirche", in ihr steckt ziemlich sicher ein älterer Bau vor 1418. Ein neugotischer Gedenkstein von 1834 steht erhöht auf dem Burgplatz. Er erinnert an die Geschichte der Burg, die endete, nachdem Otto VIII. von Wittelsbach 1208 den staufischen König Philipp getötet hatte und als Strafe die Burg vom damaligen bayerischen Herzog geschleift und ihr Herrschaftsgebiet dem wittelsbachischen Herzogtum Bayern einverleibt wurde. Ursprünglich war Aichach der Mittelpunkt dieses Gebietes gewesen. 1257 errichteten die bayerischen Herzöge eine Burg in unmittelbarer Nachbarschaft zu Augsburg, um ihre Zollstelle am Lech zu schützen. Um die Burg herum entwickelte sich eine Stadt mit planmäßig angelegten Straßenzügen, Friedberg, heute die größte Stadt im Landkreis (30.000 Ew.), die Aichach allmählich überflügelte, was noch gefördert wurde durch Gebietsabtretungen aus dem großen Landgericht Aichach unter Herzog Ludwig dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt. 1420 trennte er die Gebiete der Landgerichte Schrobenhausen und Friedberg ab. In der Verwaltungsreform von 1972 wurde der Friedberger Gebietsstand wieder zu Aichach geschlagen, während der Raum um Altomünster, altes Aichacher Gebiet, an Dachau abgetreten werden musste. Friedberg wurde im Streit mit Augsburg mehrmals zerstört und auch Aichach litt schwer unter den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges. Später setzten die Erbfolgekriege des 18. Jahrhunderts dem Land zu.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein blieb das "Wittelsbacher Land" ein bäuerlich geprägter Landstrich. Der bayerische Dichter Ludwig Thoma hatte eine Jagd in Unterzeitlbach, das früher noch zum Landkreis Aichach gehörte. Die Gegend bildet wohl den landschaftlichen Hintergrund seiner Bauernromane. Thomas Bauern nützten wie ihre heutigen Nachfahren die guten Ackerböden, die in den Eiszeiten im Landkreis an einigen Stellen durch Lößanwehungen entstanden waren. Das tertiäre Hügelland, zu dem bis auf die schmale Lechebene der Hauptteil des Landkreisgebietes gehört, wurde nur noch am Rande bei Mering von den Alpengletschern erreicht, Endmoränen zeugen davon, aber die an der Vereisungskante tobenden Winde wirkten landschaftsformend und noch mehr die in den Zwischeneiszeiten enorme Wassermengen und Geschiebemassen führenden Flüsse. Der mächtigste ist der Lech. Er begleitet die Landkreisgrenze im Westen und hat eine Flussebene aufgehäuft, deren Untergrund nur aus Schotter besteht. Früher begleitete Auwald den mehrmals pro Jahr über die Ufer tretenden Gebirgsfluss. Flussregulierung und Stauwerke zur Stromerzeugung beseitigten zwar die Hochwassergefahr, senkten aber das Grundwasser stark ab, sodass der Auwald trocken fiel und Ackerland oder Wiesen Platz machte. Im Süden des Landkreises gibt es mit dem Eurasburger und dem Adelzhauser Forst namhafte Waldflächen, im Norden breitet sich der Ebenrieder und der Edenhauser Forst aus und in der Mitte der Derchinger Forst. Alle dienen der Naherholung für die Augsburger Bevölkerung und stehen deshalb z.T. unter Landschafts- und Naturschutz. Der Wald nimmt jedoch im ganzen Landkreis nicht einmal ein Viertel der Fläche ein (19.500 ha) und liegt damit weit unter dem bayerischen Durchschnitt (35 %). Naturschutz bewahrt auch die eigenartige Pflanzenwelt in der Lechebene. Es gibt dort Wiesen mit reiner Alpenflora: Enzian, Mehlprimel, Knabenkraut, Trollblume und für Mitteleuropa einzigartige Taglilienvorkommen. Weitere Fließgewässer sind die Friedberger Ach, die am Ostrand der Lechebene entlang fließt, und die Paar mit ihren Nebenbächen, die wichtigsten Vorfluter Richtung Donau. Obwohl alle diese Gewässer sich in das tertiäre Hügelland einschnitten, schufen sie keine großen Höhenunterschiede: der niedrigste Punkt im Kreis liegt bei Pöttmes im Donaumoos (391 m), die höchsten Hügel reichen auf 566 m hinauf (Schlosskapelle Hofhegnenberg). So entstand eine ruhige, nahezu besinnliche Landschaft mit einem ausgeglichenen Klima: die mittlere Jahrestemperatur liegt bei 7 Grad, die Niederschläge betragen, von Nord nach Süd leicht zunehmend, rund 750 mm.
Die Landwirtschaft prägt den nordöstlichen Teil des Landkreises, Industrie, Gewerbe und Dienstleistung den südwestlichen. Zwei Drittel der Kreisfläche (fast 50.000 ha) werden landwirtschaftlich genutzt, davon ist ein Drittel Grünland. Auf dem Acker werden Getreide und Hackfrüchte angebaut, auch Sonderkulturen (Gemüse, Pilze, Beeren) gibt es. Das berühmte Anbaugebiet "Schrobenhauser Spargel" reicht bis in den Landkreis. Noch wirtschaften etwa 1.700 Höfe, davon die Hälfte im Nebenerwerb. Kleine bis mittelgroße Betriebe bestimmen das Bild. Sie geben 2 % der Beschäftigten Arbeit.
Der traditionelle Bauernhof im Aichacher Land hatte ein eigenständiges, eingädiges Wohnhaus. Ein gut erhaltenes Beispiel ist der "Kasmayerhof" in Mainbach, Gemeinde Hollenbach, weitere sind in Schiltberg und Sielenbach, dem längsten Straßendorf im Landkreis, zu sehen. In Steindorf steht die erstmals 1336 urkundlich erwähnte Putzmühle. Bei Dasing grub man im Paartal eine Mühle aus der Karolingerzeit aus. Ein stattliches, ländliches Pfarrhaus, früher wohl Amtshaus der adeligen Hofmark, weist Adelzhausen auf, der erste urkundlich erwähnte Ort im Landkreis (782 n. Chr.). Agrarkulturelles Erbe steckt auch im weit bekannten Leonhardiritt zu Inchenhofen und in einem modernen Radwanderweg, der sich "Altbaierischer Oxenweg" nennt. Er folgt den Spuren der vielen tausend ungarischen Steppenrinder, die zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert 600 km weit bis nach Augsburg getrieben wurden.
Die altbayerische, bäuerliche Frömmigkeit war es, die zu den Wallfahrtsorten Inchenhofen (ab 1266), Maria Birnbaum, Herrgottsruh und Maria Kappl führte. Die Wallfahrtskirche Inchenhofen hütet einen berühmten barocken Leonhardialtar und Deckenfresken von 1757. Jahrhunderte lang führte eine bedeutende Leonhardiwallfahrt hierher. Heute wird die Tradition mit dem Leonhardiritt fortgeführt, an dem 200 Pferde, Musikkapellen, Trachtengruppen und ein Dutzend Festwagen teilnehmen. Auch die Wallfahrtskirche Maria Birnbaum in Sielenbach ist bemerkenswert, denn sie ist eine der originellsten frühbarocken Schöpfungen des kurfürstlichen Baumeisters und Bildhauers Konstantin Bader (1665). Aus der gleichen Epoche stammt die von den Jesuiten errichtete Burgstallkapelle in Kissing (1681/85). Auch die Wallfahrtskirche Herrgottsruh in Friedberg ist ein barocker Bau. In Todtenweis birgt die Pfarrkirche St. Ulrich und Afra (1737/38) ein Deckengemälde von Christoph Thomas Schäffler. Erwähnenswert ist auch die ehemalige Klosterkirche der Benediktinerinnen in Kühbach, erbaut ab 1687.
Der aus der deutschen Geschichte bekannteste Platz im Landkreis ist das Schlachtfeld von 955, auf dem Kaiser Otto der Große die Ungarn besiegte. Wo die Schlacht auf dem großen Lechfeld wirklich stattfand, weiß man bis heute nicht genau. Umso mehr ranken sich Sagen um dieses Ereignis. Dazu gehört auch die Behauptung, manchmal fänden Bauern beim Pflügen noch Hufeisen aus dieser Zeit. Auf die Ungarneinfälle gehen frühmittelalterliche Wallanlagen zurück, die zum Schutz vor diesen Feinden errichtet wurden, vier allein bei Mering. Dort wurde 1966 auch ein jungsteinzeitliches Dorf entdeckt. Die Funde sind im dortigen Heimatmuseum zu sehen. Solche und viele andere Ausstellungsstücke zeigen auch andere Museen im Landkreis, z.B. in Aichach das Wittelsbacher Museum und das neugestaltete Stadtmuseum, das Wallfahrtsmuseum in Inchenhofen, das Museum im Schloss in Friedberg. Weitere historische Plätze sind: Der Thingplatz "Gunzenlee" bei Kissing; dort steht auch das Schloss Mergenthau, heute ein großes Gut; von der abgegangenen Wasserburg Unterschneitbach, wo die altbayerische "Magna Charta" gesiegelt wurde, ist nicht einmal der Hügel mehr zu sehen, seit wenigen Jahren steht unweit ein Gedenkstein; die Schlösser zu Unterwittelsbach (heute im Zuge der "Sisi-Romantik" touristisch vermarktet), Haslangkreit, Affing, Scherneck, Hofhegnenberg, Mering, Schmiechen. In Blumenthal bestand seit 1254 bis zur Säkularisation 1806 eine Deutschordenskommende. Sie war seit dem 17. Jahrhundert einer der größten Grundherren im Landkreisgebiet und darüber hinaus. Auf dem Hofberg in Schiltberg stand die Burg der bedeutenden herzoglichen Marschalken von Schiltberg, die kurz nach 1284 ausstarben. Heute befindet sich dort das bekannte Hofbergfreilichttheater. In der Nähe von Schiltberg wurde um 1700 das Jagdschlösschen Rapperszell erbaut.
Ortsgeschichten von guter Qualität gibt es für Friedberg, Aichach, Pöttmes, Inchenhofen, Kühbach, Eurasburg, Obergriesbach, Todtenweis.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche |
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Literatur | |
- | | Der Altlandkreis Aichach. Beiträge zur Ortsgeschichte. (Hrsg. v. Mayer, Fritz; Wagner, Rudolf.) Aichach 1979 |
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- | | Der Landkreis Aichach-Friedberg stellt sich vor. (Hrsg. v. Landratsamt Aichach-Friedberg.) Mering 2003 |
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- | | Der Landkreis Friedberg. Ein Grundriss der Heimatgeschichte. (Hrsg. v. Landkreis Friedberg.) Friedberg 1967 |
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- | | Landkreis Aichach-Friedberg (= Die kreisfreien Städte und Landkreise Bayerns in der amtlichen Statistik 30). München 1976 |
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