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Landkreis (Landratsamt) Cham

Beschreibung
Im Osten der Oberpfalz gelegen grenzt der Landkreis Cham auf 72 km an die Tschechische Republik. Seine Lage im Grenzland hat den der Fläche nach größten Landkreis der Oberpfalz durch die Jahrhunderte geprägt, ein "Grenzlandsyndrom" wird der Gegend attestiert. Als sich der Eiserne Vorhang über Europa senkte, wurde das Gebiet zum "strukturschwachen Grenzland", selbstironisch nannte es ein Landrat "Jammertal, Hs. Nr. 1". Heute fühlt sich der Landkreis mit Recht als zum Herzland Europas gehörend und ergreift als "Aufsteigerregion" tatkräftig die damit verbundenen Chancen für Politik, Wirtschaft und Kultur.
Geografisch gehört das Kreisgebiet den Großlandschaften des Oberpfälzer und des Bayerischen Waldes an, die durch die Cham-Further Senke voneinander getrennt werden. Diese Senke war seit jeher ein "Völkertor", eine Heerstraße und ein bedeutender Handelsweg zwischen Bayern und Böhmen. Spuren alter Fernwege kann man noch an tief in das Gelände eingeschnittenen Fahrrinnen in den Waldungen erkennen. Der höchste Punkt im Landkreis liegt mit 1.439 m ü. NN unterhalb des Arbergipfel, des mit 1.456 m höchsten Berges im Bayerischen Wald, der niedrigste Punkt mit 331 m ü. NN bei Reichenbach am Regen. Der Regen durchfließt den Kreis von Südosten nach Westen.
Der Landkreis Cham zählt rund 131.000 Einwohner und misst rund 1.500 qkm, er ist ein vergleichsweise
dünn besiedelter Landreis (87 Ew./km2, Gesamt-Bayern 176 Ew./km2). Vorherrschende Siedlungsformen sind Einödhöfe, Weiler, kleine Dörfer und Märkte. Die größte städtische Siedlung ist die Kreisstadt Cham mit knapp 18.000 Einwohnern.
Wichtigstes Kapital des Landkreises ist seine Landschaft, weshalb der Fremdenverkehr (3.5 Mio. Übernachtungen im Jahr) mit der bedeutendste Wirtschaftszweig ist. Dass die Stadt Kötzting 2006 zum Bad aufgewertet wurde, unterstreicht diese Bedeutung. Der Naturpark "Oberer Bayerischer Wald" bedeckt einen erheblichen Teil des Kreises, er ist einer der größten und ältesten Naturparke in Bayern. Außerdem gibt es zehn Naturschutzgebiete und mehrere Arten- und Biotopschutzprojekte. Einzelne Naturdenkmäler wie uralte Eichen- und Lindenbäume, überwiegend in bäuerlichem Besitz, sind über den gesamten Landkreis verteilt. Die Wolframslinde zu Ried nahe Kötzting gehört mit 16 m Stockumfang zu den ältesten Bäumen im deutschen Sprachraum. Ebenfalls vornehmlich bäuerlichem Engagement und mühseliger Bauernarbeit verdankt ein seltenes Stück Kulturlandschaft seine Erhaltung: der Pfefferbuckel bei Eismannsberg südwestlich von Miltach. Hier werden schmale Felder immer wieder von breiten Hecken unterbrochen, die Kanten sind bis zu drei Meter hoch. Ein einzigartiges Naturdenkmal bilden die bizarren Ausformungen des "Pfahl", jener 140 km langen, quarzgefüllten Verwerfungsspalte, die den Landkreis durchschneidet.

Wie so oft geht auch hier schöne Landschaft mit schlechten natürlichen Bedingungen für die Landwirtschaft einher. Der Nährstoffgehalt der aus Granit und Gneis entstandenen flachgründigen (15- 40 cm) Böden ist von Natur aus gering, sie sind kalk- und phosphorsäurearm und sehr durchlässig; sauer bis stark sauer reagierende Böden überwiegen. Die Abschwemmungsgefahr ist wegen des bergigen Geländes überall hoch, lediglich in den Flusstälern sind bessere Bedingungen zu finden. Die Vegetationszeit ist mit 190 Tagen kurz, die mittlere Jahrestemperatur beträgt um die 7 Grad, Niederschläge fallen zwischen 650-750 mm im Jahr, allerdings so schlecht verteilt, dass sie während der Wachstumszeit in einzelnen Gebieten mit 220-240 mm sehr gering ausfallen. Früh- und Spätfröste sowie lang anhaltende Schneelagen zwingen zu einem hohen Grünlandanteil und damit zur Rindviehhaltung. Schon immer überwogen Klein- und Kleinstbetriebe (Betriebsgröße heute 18 ha, bayerischer Durchschnitt 22 ha), sodass Nebenerwerb notwendig war, inzwischen auf zwei Drittel aller Höfe. Arbeit wurde häufig in der Waldwirtschaft gefunden. 90 % des Waldes gehören Privatpersonen, die meisten sind Bauern. Nach dem 2. Weltkrieg waren 41 % aller Einwohner in der Landwirtschaft beschäftigt, heute sind es nur noch 8 %.
Das harte Leben in der kargen Landschaft hat die "Waldler" geprägt. Sie gelten als Eigenbrötler, verteidigen die althergebrachte Tradition und das, was sie als ihren Besitzstand erachten, mit Nachdruck. Da sie aber immer arbeitsam, ehrlich und zuverlässig waren, erfreuen sie sich heute des gleichen Wohlstandes wie die Bewohner anderer ländlicher Gegenden Deutschlands. Trotz der abweisenden Natur waren Teile des Landkreises, so das flache Chamer Becken, schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt. Durchziehende Jäger (Faustkeil von Pösing) dürften nach der letzten Eiszeit und vermehrt in der mittleren Steinzeit bis ins Chamer Becken vorgedrungen sein. Aus der Jungsteinzeit sind bäuerliche Siedlungen einer "Chamer Gruppe" nachgewiesen (Gde. Schorndorf). Aus der frühen Bronzezeit stammen die "Satzdorfer Funde" (Gde. Runding). In Nößwartling beweist eine Viereckschanze die Anwesenheit keltischer Bevölkerung. Eine umfangreiche germanische Siedlung aus dem 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. ist 1983 bei der Altenmarkter Klostermühle im Stadtgebiet Cham ausgegraben worden. Von der Karolingerzeit an dokumentieren schriftliche Zeugnisse das bewegte politische Schicksal des Landkreisgebietes. In Roding und Cham standen karolingische Königshöfe. Durch die Further Senke zogen von nun an immer wieder die Heere deutscher und böhmischer Herrscher. Auf ihren Kriegszügen verheerten die Böhmen das Land beiderseits der Straße. Im frühen 11. Jahrhundert legten die deutschen Herrscher deshalb ein imposantes Burgensystem zur Sicherung des Grenzraumes an. Die Überreste der Burgen bilden bis heute markante Punkte, so in Runding (1118) auf einem 565 m hohen Vorberg des bayerischen Waldes oder in Falkenstein (frühes 11. Jh.) auf einem kühnen Granitfelsen Die Kürnburg gehört zu den größten Burgruinen der Oberpfalz. Der Ödenturm, gleich hinter Chammünster, aus Buckelquadern erbaut, zählt zu den ältesten Bauwerken (12. Jh.) im Landkreis. Eine besondere Architekturform des Mittelalters bilden Kirchenburgen, auch sie waren Teil der Grenzbefestigung. Eine typische Kirchenburg ist in Kötzting noch vorhanden, Reste sieht man auch noch in Furth im Wald, Eschlkam und Obertrübenbach.
Diese geballte Wehrhaftigkeit konnte jedoch nicht verhindern, dass in den Hussitenkriegen (1420-1434) die Oberpfalz schwere Schäden davontrug und hier wiederum besonders die Gebiete beiderseits des alten "Völkertores". Im 30jährigen Krieg (1618-1648), der ja seinen Ausgang gleich nebenan im Böhmischen nahm, wurden wiederum weite Landstriche verwüstet und entvölkert. In den Religionswirren dieser Zeit musste z. B. die Chamer Bevölkerung fünfmal die Konfession wechseln. Die noch heute gebräuchliche Drohung "Ich mach dich schon noch katholisch!" war damals schlimme Realität, unzählige protestantische Familien mussten ihre Heimat während der Gegenreformation verlassen. Mit dem Beginn des 30jährigen Krieges endete die bis dahin herrschende politische Zerrissenheit des Landkreisgebietes, denn mit dem bayerischen Herzog Maximilian übernahmen die Wittelsbacher die gesamte Oberpfalz. Der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714), der Österreichische Erbfolgekrieg (1741-1745) und die napoleonische Ära brachten erneut Tod, Brand, Plünderung über die Menschen. Geplündert wurde in Cham zuletzt 1945 als die Amerikaner die Stadt freigaben, um die auf ihrem Todesmarsch befreiten, ausgehungerten Häftlingen des KZ Flossenbürg mit Lebensmitteln zu versorgen.
Angesichts dieser im wahrsten Sinne des Wortes verheerenden Geschichte nimmt es wunder, dass doch noch so viel Kulturerbe auf die Gegenwart überkommen ist. Freilich, prachtvolle Herrensitze hat es im kämpferischen Grenzraum nie gegeben, aber einige kleine Schlösser sind dank großzügiger Privatinitiative (Altrandsberg, Waffenbrunn, Gutmaning, Loifling, Thierlstein) und ungeheuerer Anstrengung der Gemeinde Miltach (Schloss Miltach)doch erhalten. Von der bodenständigen ländlichen Baukultur ist im Landschaftsbild nicht mehr viel zu sehen. Die typische Form des "Waldlerhauses" verschwindet. Es handelt sich um einen Einfirsthof, Wohnung, Stallung, Scheune reihen sich hintereinander unter einem Dach. Das Erdgeschoss ist aus Stein, der obere Stock aus Holz gebaut, das flache, weit vorspringende Dach ist mit Legschindeln bedeckt und mit Felstrümmern beschwert. Um das obere Stockwerk läuft ein hölzerner Gang, der so genannte Schrot, gedeckt als Laube oder offen als Galerie. Im Oberpfälzer Handwerksmuseum in Rötz-Hillstett ist ein Waldlerhaus aus dem 18. Jh. erhalten. Die wenigen noch am Originalstandort befindlichen Waldlerhäuser, z. B. in Obertrübenbach, Engelsdorf, Unterzettling, muss man suchen, sie sind aber in der reichhaltigen Heimatforschungsliteratur des Landkreises hervorragend dokumentiert. Vorhanden sind auch noch wenige alte Mühlen, z. B. in Dicherling am Regen. Unter der Erde sind auffallend viele Erdställe, hier auch "Schrazellöcher" genannt, erhalten geblieben. Sie sind stets an bäuerliche Siedlungen gebunden und stammen vermutlich aus der mittelalterlichen Besiedelung des Landes.
Reichhaltiger ist das kirchliche Kulturerbe im Landkreis. Es beginnt mit vorromanischer Kunst in der Josefikapelle in Roding, deren Bau bis in die Zeit nach 800 zurückgeht. Von romanischer Kunst geprägt sind u. a. die ehemalige Klosterkirche Walderbach und mehrere Dorfkirchen, so in Fronau, Friedersried oder Schönfeld. Was sich an gotischen Bauten im Landkreis erhalten hat, ist wegen der Zerstörungen im 30jährigen Krieg nicht bedeutend. Oft handelt es sich bloß noch um Bauteile wie z. B. den Chor der Kirche zu Steinbühl. Zu nennen sind dennoch einige ländliche Kirchen wie die Friedhofskirche St. Sebastian in Bruck, das Kirchlein zu Quer, die Kirche in Ast oder die St. Ulrichskapelle in Wetterfeld. Spätgotisch ist die Urkirche des Gebietes in Chammünster (1470-75). Barock und Rokoko haben sehenswerte Kleinode hinterlassen, so die Klosterkirche Reichenbach, die Dorfkirche in Arrach, die bäuerliche Trailling-Kapelle im Lamer Winkel, "waldlerisches Kleinod" genannt, und mehrere Wallfahrtskirchen, die auch wegen des Einklangs zwischen Natur und Kunst bekannt geworden sind: Marienstein, Heilbrünnl bei Roding, Hetzenbach. Zu den weit über den Landkreis hinaus bekannten Wallfahrtskirchen gehört Weißenregen bei Kötzting, ihre barocke Schiffskanzel lockt jedes Jahr an die 50.000 Besucher an, nicht unbedingt zur Freude der Konservatoren. In der neuesten Zeit sind einige alte Bauernkirchen, die zu Einödhöfen gehören, restauriert worden, z. B. Mariä Heimsuchung in Enklarn. Bedeutende Madonnenfiguren, Wegkreuze und Bildstöcke, Votivtafeln und Votivgaben, z. B. eiserne Opfertiere an der Bauernwallfahrt Sackenried, gibt es im Landkreis zu sehen. Auch der alte Brauch, für Verstorbene Totenbretter aufzustellen, ist wieder verbreitet.
Das noch geübte bäuerliche Brauchtum dreht sich vor allem um die Pferde. Der bekannteste Brauch ist der auf ein Gelöbnis aus dem Jahre 1412 zurückgehende Kötztinger Pfingstritt, die größte Pferdewallfahrt in Bayern im Jahr 2006 mit 900 Teilnehmern. Der Kötztinger Rosstag, ein zweites prächtiges Ereignis in der Stadt, steht unter dem Motto "Landwirtschaft und Handwerk von damals". Leonhardiritte werden in Furth im Wald und Wilting, Martiniritte in Miltach und Warzenried abgehalten. Zu einem Brauchtum neuzeitlicher Art scheinen sich die sommerlichen Festspiele zu entwickeln, die an sieben Orten im Landkreis aufgeführt werden, darunter Deutschlands ältestes Volksschauspiel, der Further Drachenstich. Ungewöhnlich hoch ist die Zahl der Museen und Galerien, in denen auch Stücke aus dem Agrarkulturerbe ausgestellt sind.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche
Literatur
-Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham. Bd. 1 (1984) bis 23 (2006) (Hrsg. v. Arbeitskreis Heimatforschung im Kulturverein Bayerischer Wald e. V..) Cham 1984ff.
-Der Landkreis Cham (Hrsg. v. Landkreis Cham.) Cham 1966
-Der Landkreis Roding. Wirtschaft, Landschaft, Geschichte und Kultur eines Grenzlandkreises (Hrsg. v. Der Landkreis Roding.) Roding 1959
-Bergmann, Alois:
Volksarchitektur aus Ostbayern und dem Böhmerwald In: (= Oberpfälzer Monographien Bd. 6) Amberg 1976
-Hofer, Sabine:
Der Landkreis Cham. Das große Heimatbuch der östlichen Oberpfalz Regensburg 1996
-Krämer, Karl B.:
Landkreis Kötzing. Bayerischer Wald Kötzing 1964
-Strasser, Willi:
Das Waldlerhaus In: Die Oberpfalz 89 (1996)