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Landkreis (Landratsamt) Günzburg

Sölde
Beschreibung
Der Landkreis Günzburg liegt im Nordwesten von Bayerisch-Schwaben. Er misst von Nord nach Süd 38 km und von Ost nach West 27 km. Damit gehört er zu den mittelgroßen Landkreisen Bayerns. Seine 122.000 Einwohner leben in 34 Gemeinden. Die Einwohnerdichte liegt mit 160 Ew/qkm recht hoch. Die Landschaft ist zweigeteilt: die Donau trennt einen kleinen Riedbereich im Norden von der südlich gelegenen Iller-Lech-Schotterplatte. Der Landkreis hat aber nur einen sehr geringen Anteil am Donautal. Wirklich geprägt wird die Landschaft des Landkreises jedoch von der Schotterplatte, einem Produkt der Eiszeiten, in denen sich Kalt- und Warmzeiten viele Male abwechselten. In den wärmeren Zeiten floss das Schmelzwasser der Alpengletscher in Stromtälern (Roth, Biber, Günz, Kammel, Mindel, Zusam) immer wieder von Süden her in die tiefe Rinne des Donautals. Der tertiäre Untergrund wurde weitflächig überlagert von eiszeitlichen Schottern. Im Laufe der Zeit entstanden so Deckenschotter von 12-14 m im südlicheren und um 10 m im nördlicheren Landkreis. Stellenweise legte sich Löss über die Schotter. Das ist heute das bevorzugte Ackerland. Zwischen den breiten, kastenförmig ausgewaschenen Flusstälern blieben Höhenrücken, die sogenannten Riedel, stehen, auf denen der Löss abgeweht oder abgeschwemmt worden ist. Dort stehen heute große, zusammenhängende Waldgebiete mit charakteristischen Rodungsinseln, wie z. B. in Rechbergreuthen, Freihalden, Landensberg. Trotz des steten Wechsels zwischen Hochflächen und Flusstälern sind die Höhenunterschiede im Landkreis recht gering, mit Ausnahme des steilen Abbruchs der Schotterplatte zur Donau meist nur 50 m zwischen Tal und Höhe. Der niedrigste Punkt im Landkreis liegt bei 427 m NN, der höchste bei 607 m NN. Es gibt keine natürlichen Seen, aber viele Fischweiher, besonders romantisch die Weiherkette beim Glaserhof, die dem ehemaligen Kloster Roggenburg zu verdanken ist. Das Industriezeitalter hat durch Stauwehre in den Flüssen und Kiesabbau zahlreiche künstliche stehende Gewässer geschaffen, von denen manche inzwischen von natürlichen Seen nicht mehr zu unterscheiden sind. Reste von Auenwäldern und Moorgebieten werden durch Natur- und Landschaftsschutzgebiete bewahrt, z.B. Mindelrieder Paradies.
Obwohl die Donau das Gebiet des Landkreises nur am Rande berührt, war es doch vor allem die Furche dieses Stromes, die seine Geschichte formen half. Sie zog allen Ost-West-Verkehr an sich, von ihr ging die Erschließung des Raumes aus. Daher konzentrieren sich vor- und frühgeschichtliche Funde in der Nähe der Donau. Sie reichen von den stark ausgeprägten jungsteinzeitlichen Kulturen (Schussenrieder- und Bandkeramikerkultur) über Bronze-, Urnenfelder-, Hallstatt- und Latènezeit bis zu den Römern. Sie sind diejenigen, die den Raum am nachhaltigsten geprägt haben, denn die Spuren der Kelten, die vorher das Land besiedelten, sind hier nahezu erloschen. 15 v.Chr. eroberten die Römer das Gebiet und tauften es Provinz Rätien. Guntia (=Günzburg) war eine bedeutende römische Siedlung, die bis in die späte Völkerwanderungszeit römisch blieb. 260 n.Chr. erscheinen die Alamannen im Landkreis, aber erst Ende des 5. Jahrhunderts endet die römische Herrschaft endgültig. Im 8. Jahrhundert christianisieren angelsächsische Missionare die Alamannen. Adelsgeschlechter werden im 11. und 12. Jahrhundert erkennbar. Sie erkannten die Herzöge von Schwaben, damals die Staufer, als Oberherren an. Nach dem Ende der Stauferherrschaft (1254) gewannen im sogenannten Interregnum die lokalen Herrschaften erheblich an Macht. 1273 wurde Rudolf I. von Habsburg König des Heiligen Römischen Reichs. Er erwarb große Teile des heutigen Landkreises durch Kauf, Tausch, Erbschaft, Verpfändung und verleibte sie seinen sogenannten "österreichischen Vorlanden" (Vorderösterreich) ein. Bedeutendstes Teilstück war die Markgrafschaft Burgau, die er 1301 kaufte. Daneben besaß er eine Sammlung kleinerer Besitzungen. Die österreichische Vergangenheit ist noch mancherorts deutlich, so z.B. in der Scheppacher Pfarrkirche mit einem Fresko, das einen mächtigen habsburgischen Doppeladler zeigt. Ebenfalls beträchtliche Teile des heutigen Landkreises gehörten zu geistlichen Herrschaften, vornehmlich Klöstern und dem Hochstift Augsburg. Außerdem gab es neben den Habsburgern noch viele weltliche Herrschaften, so die Reichsstadt Ulm, Reichsritterschaft, niederen Adel und Bürgerfamilien aus den Reichsstädten Augsburg, Memmingen und Ulm. Schließlich drängten sich ein Dutzend größere und vielleicht zwei Dutzend kleinere Herrschaften im beschränkten Raum des Landkreises. Der Bauernkrieg von 1525 tobte hier heftig, denn Balzhausen, ein Ort im Südosten des Kreises, war einer der Versammlungsplätze der Aufständischen und in Leipheim erlitt der "Leipheimer Haufen" aus 3.000 Bauern und Webern eine verheerende Niederlage. Die Reformation konnte wegen des vorherrschenden österreichischen Einflusses schlecht Fuß fassen. Dennoch litt das Gebiet schrecklich unter den Folgen des 30-jährigen Religionskrieges, der auch manche seiner Grenzen veränderte. Die drangvolle Enge der vielen Herrschaften blieb jedoch bestehen. Eine bemerkenswerte Folge dieser herrschaftlichen Vielfalt war der starke Zuzug von Juden, die aus den umliegenden Reichsstädten vertrieben und von lokalen Adeligen in ihrem Territorium aus wirtschaftlichen Gründen gerne wieder angesiedelt worden waren, so etwa in Ichenhausen (700 Juden) und Burtenbach. 1802/03 brachte die Säkularisierung und Mediatisierung die zahlreichen Klostergüter an Bayern, 1805/06 folgten dann die habsburgischen und alle anderen weltlichen Herrschaften.
Der Flickenteppich aus zahlreichen Herrschaften war zwar für die wirtschaftliche Entwicklung hinderlich, befruchtete aber die Baukunst im Landkreis, denn sehr viele Herren taten sich als Auftraggeber hervor. Aus der Stilepoche der Romanik ist als einziges lohnendes Ziel nur eine triumphale Kreuzigungsgruppe von 1224 aus dem um 1125 gegründeten, reich begüterten Prämonstratenserstift Ursberg übriggeblieben. Viel reichlicher sind Kunstwerke aus der Gotik zu finden, insbesondere der Spätgotik. Als ältestes Baudenkmal des Kreises gilt die Ursulakirche in Schnuttenbach, ähnlich alt ist die Chorturmkirche von Unterwiesenbach. In beiden Kirchen sind spätgotische Fresken zu sehen, ebenfalls in den Kirchen zu Scheppach und Riedheim. In Leipheim ist mit St. Veit die einzige gotische Pfeilerbasilika erhalten geblieben. Viele gotische Kirchtürme und einige Chorräume gibt es heute noch, aber leider mit Ausnahme des Nothelferaltars zu Konzenberg kein vollständiges Altarwerk. Dafür ist die Zahl der gotischen Einzelplastiken recht groß: eine Ulrichsfigur in der Wasserburger Filialkirche, eine lebensgroße Muttergottes in der Michaelskapelle zu Edelstetten und eine weitere Muttergottes in Breitenthal, in Hochwang eine Barbarafigur, in Großkötz eine Heilige Elisabeth, Heilige in Oberwaldbach, ein Vesperbild in Allerheiligen. Die unscheinbare Dorfkirche von Höselhurst beherbergt eine meisterhafte Beweinungsgruppe. Ulmer Meister schufen die meisten dieser Kleinodien. Eine überraschend große Zahl von Meisterwerken überregionalen Ranges aus der Zeit der Gotik und der frühen Renaissance findet sich bei Grabplastiken, so z.B. Epitaphien an der Grablege der Herren von Stain in der Martinskirche von Jettingen. Bedeutende Schlossbauten dieser Zeit stehen in Krumbach, Neuburg an der Kammel, Unterknöringen, Waldstetten, Ichenhausen, Leipheim und Günzburg.
Seine heute zu bewundernde künstlerische Prägung erhielt der Landkreis nach dem 30-jährigen Krieg im Barock. Begünstigt durch den Aufstieg Österreichs wurden unzählige Neubauten errichtet. Die frühesten Bauherren waren die Klöster Ursberg (1654), Wettenhausen (1640) und Edelstetten (1681), die ihre verwüsteten Wohn- und Wirtschaftsgebäude und ihre Kirchen im frühbarocken Stil wieder aufrichteten. An der Stiftskirche in Edelstetten wirkte der bekannte Stukkateur Johann Baptist Zimmermann, der Dillinger Johann Michael Fischer baute dort die Rokokoaltäre. Er war gleichermaßen an der Kirche zur Schmerzhaften Muttergottes in Waldkirch tätig. Wettenhausen bekam 1694 mit dem Kaisersaal einen Repräsentationsraum, der mit seiner Stuckdecke von Hans Jörg Brix weit über die Region hinaus berühmt wurde. Zum Wahrzeichen des Schwäbischen Barockwinkels wurde der Zwiebelturm, den wiederum zuerst die großen Klöster Wettenhausen und Ursberg errichteten. Kamen zunächst die barocken Baumeister aus Vorarlberg, wuchsen später (1720-1780) einheimische Meister nach, die auch sehr viele Landkirchen bauten. Eine der schönsten soll die Martinskirche in Deubach mit Fresken von 1740 sein. Bekannt wegen ihrer Weihnachtsbilder ist die Kirche zu Unserer Lieben Frau in Großanhausen. Mitten auf dem Land steht die Reichertsrieder Kapelle Unseres Herrn Ruhe mit ihrer reichen Ausstattung. Zu den barocken Glanzpunkten gehören auch einige Wallfahrtskirchen, so die Mindelzeller Kirche im südlichen Landkreis. Die lebendigste aller heimischen Wallfahrten ist mit 500.000 Pilgern im Jahr Maria Vesperbild bei Ziemetshausen. Eine der ältesten Wallfahrten geht zur Kirche Allerheiligen bei Scheppach, die Wallfahrtskirche von Lexenried bei Krumbach lockt mit einem Gnadenbild Unserer Lieben Frau.
Wieder aufgebaut wurden auch mehrere Schlösser, von denen das schönste von 1765 im Dorf Harthausen steht. Eine der ältesten Burgen Bayerisch Schwabens, die Reisersburg, erhielt damals ihr heutiges Gesicht. Neu gebaut wurde 1712 das Wasserschloss von Kleinkötz. Erneuert wurden ebenfalls das Untere Schloss in Ichenhausen, die Seifriedsburg, das Autenrieder Schloss und das zu Niederraunau. Das ehemalige Wasserschloss in Jettingen, seit 1874 im Besitz der Grafen Schenk zu Stauffenberg, erlangte in der neuesten Zeit Berühmtheit als Heimat des Widerstandskämpfers Claus Graf Schenk von Stauffenberg.
Nach der beinahe rauschhaften Bautätigkeit des Barock kam kaum noch Neues hinzu. Zu erwähnen wären aus dem Klassizismus Fresken zur Kreuzerhöhung in Breitenthal und die Jugendstilausstattung der Pfarrkirche in Rieden an der Kötz von 1914.
Bekanntestes agrarhistorisches Gebäude ist die transferierte alte Sölde "1/2 Schneiderhöfl" mit Kreisheimatstube in Stoffenried. Transferiert wurde hierher auch das "Spieshaus" aus Oberwiesenbach. Auch die Waldstetter Mühle ist ein bemerkenswerter Bau. Eine Mühlkapelle steht an der Kammel in Krumbach. Einer der schönsten Bildstöcke findet sich auf der Riedelhochfläche zwischen Wattenweiler und Neuburg an der Kammel. Mühlenromantik gibt es auch an der Zusam in Ziemetshausen. Von den Fachwerkbauten auf dem Lande sind das Pfarrhaus in Limbach und das Gasthaus in Ettenbeuren die schönsten. Exemplare des mittelschwäbischen zweigädigen Wohnstallhauses in Fachwerk oder Massivbau mit separater Scheune gibt es noch in Oberwiesenbach und in der Gemeinde Bibertal "beim Beckenbauer" in Ettlishofen. Das schwäbische Volkskundemuseum Oberschönenfeld betreibt eine Außenstelle im "Stockerhof" in Naichen, Gemeinde Neuburg an der Kammel. Heimatmuseen in Günzburg und Krumbach bewahren u.a. bäuerliche Möbel. Als Besonderheit ist das Schwäbische Krippenparadies erwähnenswert, wo in Kirchen und Bauernhäusern während der Weihnachtszeit wunderbare Krippen zu bewundern sind. Die Krippenschnitzkunst ist im Landkreis nach wie vor lebendig.
Die moderne Landwirtschaft wird noch auf rund 1.500 Höfen mit 2 und mehr ha betrieben. Sie arbeitet unter den klimatischen Bedingungen des Voralpenlandes: Jahresdurchschnittstemperatur 7,8 Grad C, durchschnittliche Niederschlagsmenge 780 mm, 87-120 Frosttage, in den Flussniederungen 50-80 Nebeltage, aber auch noch Föhneinfluss. Die Grünlandwirtschaft hat sich gegenüber früher erheblich ausgedehnt und nimmt heute weit über die Hälfte der Nutzfläche ein.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche
Literatur
-Unser Landkreis Günzburg (= Buchreihe über die Landkreise und kreisfreien Städte in Bayern Bd. 115). (Hrsg. v. Landkreis Günzburg in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit.) Günzburg 1977
-Reissenauer, Franz; Schretzenmayr, Heribert:
Romantischer Landkreis Günzburg. Weißenhorn 1998