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Landkreis (Landratsamt) Miesbach Beschreibung | |
Wie die Nachbarlandkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Rosenheim überbrückt auch der Kreis Miesbach den Gebietsstreifen zwischen dem Landkreis München und der österreichisch-tirolerischen Landesgrenze. Über die von München nach Salzburg führende A 8 und die Bahnlinie von München nach Rosenheim (Innsbruck) ist er an die überregionalen Verkehrsströme angebunden. Die nach Holzkirchen bzw. Kreuzstraße (Gemeinde Valley) führenden Schnellbahnen S 5 und S 6 des Münchner Verkehrsverbundes gewährleisten auch einen engen Anschluss an die Landeshauptstadt.
Die Landschaft des Kreisgebietes gliedert sich in einen alpinen und voralpinen Teil, der das typische Relief des Alpen- und Alpenvorlandes aufweist. Die höchsten Berggipfel sind die Rotwand (Gemeinde Schliersee) mit 1884 m und der Wendelstein (Gemeinde Bayrischzell) mit 1836 m. Sie gehören beide den Bayerischen Kalkalpen an. Der Nordteil des Landkreises um Holzkirchen und Otterfing reicht noch in die Münchner Schotterebene hinein. Zwischen ihr und den Alpen liegt die typische Seen- und Moränenlandschaft des Alpenvorlandes. Die hauptsächlich entwässernden Flüsse sind die Mangfall, die bei Gmund am Tegernsee aus dem Tegernsee abfließt, und die ihr zufließende Leitzach. Die Mangfall mündet in Rosenheim in den Inn. Die wichtigsten Seen sind der Schliersee, der Tegernsee und der zu Füßen der Rotwand über 1000 m hoch gelegene Spitzingsee.
Der Anteil der Agrarflächen an der Gebietsfläche liegt bei 86 %, davon entfallen 35 % auf die Landwirtschaft, 51 % auf die Waldfläche. Die klimatischen Bedingungen entsprechen denen der erwähnten Nachbarlandkreise und begünstigen im Verein mit der Topografie die Grünlandwirtschaft, die 95 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche einnimmt. Grünlandwirtschaft und Rinderhaltung sind dementsprechend die bis heute tragenden Säulen der Landwirtschaft.
Agrarhistorisch interessante, im Kreisgebiet besonders ausgeprägte Sonderformen der Grünlandwirtschaft sind die Schwaighof- und die Almwirtschaft. Die Schwaighöfe (Schwaigen, Viehhöfe) wurden im Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaues bei gleichzeitiger Spezialisierung auf Viehwirtschaft errichtet. Der Grundherr stattete die Schwaighöfe in der Regel mit 6 Milchkühen oder 30 Melkschafen aus und lieferte das benötigte Körnerfutter. Das Regelmaß der jährlichen Ablieferungspflicht der Schwaighofbauern bestand in 300 Stück Käse. Typische Standorte für die Schwaighofkolonisation sind das Leitzachtal und das Tegernseer Tal. Hochgelegene Schwaighöfe wurden später häufig in Almen umgewandelt.
Charakteristisch für die Almen im Unterschied zu den Schwaighöfen ist, dass sie nur den Sommer über, getrennt von den tiefer liegenden Höfen (Heimgüter, Talgüter) bewirtschaftet werden. Die Almwirtschaft ist wesentlich älter und verbreiteter als die Schwaighofkolonisation. Sie läst sich bis in die Bronzezeit zurückverfolgen. Im Vergleich der oberbayerischen Landkreise weist der Kreis Miesbach mit rd. 4500 ha die größte Almfläche auf. Folgerichtig ist am dortigen Amt für Landwirtschaft und Forsten eine almwirtschaftliche Beratungsstelle für Oberbayern eingerichtet. Mangels qualifizierter Senner und Sennerinnen und der fortschreitenden Mechanisierung und Automatisierung der Milchgewinnung werden die Almen heute vor allem mit Jungvieh und Kalbinnen bestoßen.
Ein weiteres Charakteristikum der Landbewirtschaftung im Landkreis sind die Hagpflanzungen, die auch vom modernen Naturschutz wieder aufgegriffen werden. Noch heute überzieht das Gitterwerk der Hagpflanzungen, bestehend aus Hagbuchen und anderen Laubsträuchern, verbunden mit Einzelhofsiedlung und Egartwirtschaft (vgl. Landkreis Traunstein) den Landkreis in einem 10 bis 15 km breiten Streifen von Waakirchen im Westen bis hinüber zum Irschenberg im Osten. Sie dienen dem Schutz vor Großwild, Wind- und Wassererosion, bieten den natürlichen Feinden der Wühlmäuse und Insekten Unterschlupf und den Weidetieren Schutz und zusätzliche Nahrung. Die Hagbuchen liefern ein besonders zähes Holz, was auch in dem einen Menschen charakterisierenden Mundartausdruck "haglbuchen" zum Ausdruck kommt.
Aufbauend auf die Grünlandwirtschaft hat auch die Viehzucht eine lange Tradition. Das heute weltweit verbreitete Süddeutsche Höhenfleckvieh, entstanden durch die Einkreuzung von Schweizer Zuchtvieh aus dem Simmental in den um Miesbach verbreiteten Landschlag, zeugt davon. 1837 holten der Wirtssohn Max Obermaier und der Bauernsohn Johann Fischbacher aus Gmund am Tegernsee die ersten "Simmentaler" nach Oberbayern. 1892 wurde der "Zuchtverband für oberbayerisches Alpenfleckvieh" als ältester heute noch bestehender Fleckviehzuchtverband gegründet.
Heute wirtschaften im Kreisgebiet rd. 1200 Bauern, davon rd. 60 % im Haupterwerb. Die Durchschnittsgröße der Haupterwerbsbetriebe liegt bei 31 ha, was auf eine mittelbäuerliche Agrarstruktur schließen lässt. Der Anteil der in der Landwirtschaft Tätigen an der Gesamtbeschäftigtenzahl liegt bei 4,6 %.
Das Arten- und Biotop-Schutzprogramm des Landkreises erfasst rd. 11000 ha. Zu den naturschutzlich wertvollsten Lebensräumen zählen die Almweiden im Süden des Landkreises. Weiter finden sich viele wertvolle Moore und Streuwiesen zwischen Holzkirchen und Fischbachau sowie im Mariensteiner Moorgebiet (Gemeinde Waakirchen), Magerrasenflächen im Kloo-Aschertal (Gemeinde Bayrischzell) und am Taubenberg (Gemeinde Warngau) und Kiefernauwälder im Weissach- (Gemeinde Schliersee) und Valepptal (Gemeinde Kreuth).
Stattliche alte Bauernhöfe, meist in Blockbauweise, sind im Miesbacher Gebiet noch in einer Vielzahl vorhanden. In der Regel sind es Einfirstanlagen mit giebelseitigen oder umlaufenden Balkonen, oft auch mit Lüftlmalereien geschmückt. Beispiele sind das Haus "Beim Sperr" in Bad Wiessee, eines der ältesten Bauernhäuser in Oberbayern, der "Hoinerhof" in Tegernsee, der "Schusterbauernhof" in Festenbach (Gemeinde Gmund am Tegernsee), der "Wölflhof" in Aurach und der "Jodlbauer" in Hagnberg (Gemeinde Fischbachau) und der "Unterstöttnerhof" in Geitau (Gemeinde Bayrischzell). Neuerdings wird bei Fischhausen (Gemeinde Schliersee) ein "Altbayerisches Dorf" als "lebendes Museum" aufgebaut. Auch das Schlierseer Heimatmuseum ist in einem ehemaligen Bauernhaus untergebracht und zeigt landwirtschaftliches Gerät, bäuerliche Wohnkultur und Tracht. Im Miesbacher und Tegernseer Heimatmuseum sind kunstvolle Bauernmöbel zu sehen. Mittelpunkt des Miesbacher Museums ist eine Bauernstube aus der Barockzeit.
Die urbayerische Lust zum Theaterspielen zeigt sich in dem seit 1892 bestehenden Schlierseer Bauerntheater. Hinzu fügt sich das Festhalten an alten Traditionen, aber auch das Aufbegehren gegen die Obrigkeit.
In der Miesbacher Gegend liegen mit Miesbach und Bayrischzell Ursprungsorte der Trachtenpflege, die die Miesbacher Tracht in Bayern und darüber hinaus bekannt gemacht hat. Im Tegernseer Land und von hier aus in ganz Oberbayern lebte und wirkte der Musiker und Volksliedsammler Paul Kiem (1882-1960), bekannt unter dem Namen Kiem Pauli. Wie im gesamten Oberland verehrt man gerade auch in Miesbach den Viehpatron St. Leonhard. Daran erinnern die Leonhardifahrten in Kreuth, Schliersee, Fischbachau, Irschenberg und Warngau. Beliebt ist auch die Trachtenwallfahrt nach Birkeneck (Gemeinde Fischbachau). Ein alter heute verschwundener Brauch war das Haberfeldtreiben, eine auf dem Lande gebräuchliche Form der Selbstjustiz. Lebendig geblieben sind auch die Auseinandersetzungen um das Jagdrecht, das ja ursprünglich jedermann ausüben konnte. Das "Jagerhaus" in Gmund am Tegernsee und das Grab des Wildschützen Jennerwein in Schliersee erinnern daran.
Der Landkreis Miesbach ist alter Kulturboden. Spuren keltischer und römischer Besiedlung, z.B. am Irschenberg und in Valley, wo einst eine von Augsburg nach Salzburg führende Römerstraße vorbeiführte, sind nachweisbar. Spätere Mittelpunkte der Kolonisation waren die Klöster in Bayrischzell (später nach Fischbachau und endgültig nach Scheyern im Landkreis Pfaffenhofen verlegt), Weyarn, vor allem aber Tegernsee. 1803 wurden diese Klöster, wie überall in Bayern, aufgehoben. Das bedeutendste war das Benediktinerkloster Tegernsee, das 1817 der bayerische König Max I. Joseph erwarb, um sich eine Sommerresidenz einzurichten Ein Jahr danach kam noch Wildbad Kreuth hinzu. Damit begann auch der Fremdenverkehr im Tegernseer Tal. Ein kunstgeschichtliches Juwel haben die Augustiner Chorherren von Weyarn mit ihrer von Ignaz Günther ausgestalteten Klosterkirche hinterlassen. Wertvolle Kunstschätze aus gotischer Zeit, dazu Fresken und Stuckaturen von Johann Baptist Zimmermann, birgt die Pfarrkirche St. Sixtus in Schliersee.
Wirtschaftsgeschichtlich war das Kreisgebiet bis ins 19. Jahrhundert hinein von der Land- und Forstwirtschaft geprägt. Während sich daneben der Fremdenverkehr als wichtigster Dienstleistungsbereich entwickelte, kamen im industriell-gewerblichen Bereich die Papierfabrikation im Mangfalltal und der Kohlebergbau in Hausham hinzu. Während die Papierfabrikation in Gmund am Tegernsee bis heute blüht, wurde der Haushamer Kohlebergbau 1966 eingestellt. Größter industriell-gewerblicher Arbeitgeber ist heute der Pharmabetrieb Hexal in Holzkirchen mit etwa 1500 Beschäftigten. Auch das Handwerk, insbesondere Kunsthandwerk, ist im Landkreis stark vertreten.
Die landschaftliche Schönheit der Gegend hat auch viele namhafte Persönlichkeiten, insbesondere Künstler, angezogen. Herausgegriffen seien der große bayerische Dichter Ludwig Thoma (1867-1921), der von 1908 bis zu seinem Lebensende "Auf der Tuften" in Tegernsee lebte und in Rottach-Egern begraben ist, und die ebenfalls nach Tegernsee gezogenen Maler Joseph Karl Stieler (1781-1868), der für König Ludwig I. die Nymphenburger Schönheitsgalerie schuf, und Olaf Gulbransson (1873-1958), der mit Ludwig Thoma zusammen für die Satirezeitschrift "Simplicissimus" arbeitete. Im Stieler-Haus lebte dann auch der Sohn des Malers, der Dichter Karl Stieler (1842-1885), Verfasser der "Hochlands-Lieder" und des Versepos "Ein Winteridyll". Museen und Gedenkstätten in Tegernsee erinnern an diese Künstler. In Gmund am Tegernsee ist der frühere Bundeskanzler Ludwig Erhard (1897-1977), der Schöpfer der Sozialen Marktwirtschaft, begraben.
Der Landkreis besteht aus 17 Gemeinden, darunter die Städte Miesbach (rd. 11.000 Einw.) und Tegernsee (rd. 4.000 Einw.) sowie die Märkte Holzkirchen (rd. 15.000 Einw.) und Schliersee (rd. 6.500 Einw.). Auf einer Fläche von 863,5 qkm leben rd. 95.000 Menschen, was einer Bevölkerungsdichte von etwa 110 Einwohnern je qkm entspricht.
Text: Prof. Dr. Alois Seidl |
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Literatur | |
- | | Bachhuber, Rudolf Peter; Kerkel, Norbert: Im Herzen Oberbayerns. Das Miesbacher Land. Waakirchen-Schaftlach 2000 |
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- | | Hörmann, Walter: Der Landkreis Miesbach. Miesbach 1983 |
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- | | Jenne, Emil: Der Landkreis Miesbach: meine Heimat in Bildern. Heßdorf 1999 |
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- | | Stutzer, Dietmar: ...das Erdreich gesegnet mit Garben, Zugvieh und Herden. Eine kleine Geschichte der Nutztiere in Bayern (= Hefte zur bayerischen Geschichte und Kultur Bd. 36). Augsburg 2007 |
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- | | Weber, Andreas Otto: Beobachtungen zur weidewirtschaftlichen Nutzung der Alpen durch altbayerische Klostergrundherrschaften im Rahmen der hochmittelalterlichen Schwaighofkolonisation. In: Alpwirtschaftliche Nutzungsformen (Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer) 2001, S. 55-73. |
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