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Landkreis (Landratsamt) Oberallgäu

Beschreibung
Der Landkreis Oberallgäu liegt im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben und ist der südlichste Landkreis Deutschlands. Er grenzt im Norden an den Landkreis Unterallgäu, im Nordwesten an den LKr. Ravensburg, im Westen an den Lkr. Lindau, im Südwesten an das österreichische Bundesland Vorarlberg, im Südosten an das österreichische Bundesland Tirol und im Osten an den LKr. Ostallgäu. Zwei österreichische Enklaven sind im Landkreis Oberallgäu deutsches Zollanschlussgebiet: Kleinwalsertal und Jungholz. Die Stadt Kempten (Allgäu), Metropole des Allgäus und älteste urkundlich erwähnte Stadt Deutschlands, liegt zwar im nördlichen Landkreis, ist aber kreisfrei. Die Höhenlage des Landkreises Oberallgäu erstreckt sich von 622 m ü.d.M. im Norden, bis 2649 m (Hochfrottspitze) im Süden. Insgesamt 28 Gemeinden, Märkte und Städte mit Hunderten von Gemeindeteilen und Einzelhöfen sind seit der Gebietsreform 1972 im Landkreis vorhanden. Kreisstadt ist Sonthofen (750 m) mit rund 22 000 Einwohnern, südlichste Stadt Deutschlands. Auf einer Landkreisfläche von 1528 qkm leben rund 150 000 Menschen, das entspricht einer Einwohnerdichte von 97 Ew. je qkm. Im nördlichen Landkreis liegt die mittlere Jahrestemperatur bei 6,6 Grad C, im südlichen bei 5,8 Grad C, entsprechend verteilt sich die Jahresniederschlagsmenge auf 1.000-1.800 mm bzw. 1.700-2.400 mm. Zahlreiche Seen, Berge, Wiesen, Moorflächen und Wälder (Waldfläche: 54 912 ha = 35.9 %) geben dem Landkreis sein besonderes Gepräge.
Die Landwirtschaft im Landkreis Oberallgäu (74.690 ha LN = 48,9 %) spielt noch eine bedeutende Rolle und wird geprägt durch 100 % Grünlandwirtschaft, hervorgerufen durch Lage und Beschaffenheit des Bodens, das Klima mit Früh- und Spätfrösten und hohe Niederschläge. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde noch Ackerbau betrieben (Getreide, Flachs "blaues Allgäu"), dann aber durch das Aufblühen der Milchwirtschaft aus Rentabilitätsgründen verdrängt. Nur zu den Notzeiten der beiden Weltkriege wurden aus Mangel an Nahrungsmitteln günstig gelegene Wiesen in Äcker verwandelt. Ein Vorgang, der sofort wieder rückgängig gemacht wurde, als die Lage sich besserte. Der Boden besteht aus sandigem Lehm, Moor, aluvialen und diluvialen Bildungen sowie Molasse- Flysch- und Kalkformationen. Der geologische Aufbau ist kompliziert, man kann jedoch vier Hauptformationen im südlichen Teil unterscheiden: Nagelfluh, Flysch, helvetische Kreide und Kalkalpin, woraus sich hauptsächlich die wunderschönen Berge des Oberallgäus aufbauen.
Aus der Agrargeschichte ragt die "Vereinödung" als wohl größte bäuerliche Eigeninitiative der Welt hervor. 330 Jahre zwischen 1550 und 1879 (manche Autoren setzen den Beginn noch früher an) hat diese agrarstrukturell höchst bedeutsame Bewegung, ausgehend von Kempten und über das nördliche Bodenseegebiet sich hinziehend, erst die Voraussetzung für die blühende Vieh- und Milchwirtschaft des Allgäus geschaffen. Aus rechtlicher Not und wirtschaftlicher Verzweiflung haben sich die Bauern nach dem verlorenen Bauernkrieg befreit und begonnen, die Initiative zur wirtschaftlichen Besserstellung selbst zu ergreifen. Unterstützt wurden sie schließlich von ihren Grundherren (z. B. den Fürstäbten von Kempten), die sehr bald erkannten, welche Vorteile sie selbst aus dieser Besserstellung ihrer Untertanen erfahren konnten. Als es dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Aufblühen der Milchwirtschaft im Allgäu kam, war die hervorragende Agrarstruktur (Arrondierung!) schon vorhanden und konnte sofort ihre Vorteile für eine rentable Weidewirtschaft ins Spiel bringen. Es waren die "Käsepioniere" Althaus und Schelbert aus der Schweiz und Carl Hirnbein (der "Notwender") aus Wilhams (heute Gemeinde Missen-Wilhams), die durch Hartkäserei (Emmentaler) bzw. Weichkäserei (Romadur, Limburger) und der gleichzeitigen Verbesserung der Bewirtschaftung (gezielte Güllewirtschaft!) auch die qualitativen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Milchwirtschaft schufen.
Aus dem "blauen" wurde ein "grünes" Allgäu. Die Vorteile dieser historischen Vereinödung wirken sich bis heute noch positiv aus. Zahlreich sind arrondierte Flächen und Einzelhöfe, deren frühere Eindachkonstruktion aber längst den modernen Erfordernissen bei Vergrößerungen von Stall und Scheunen gewichen sind.
Die Alpwirtschaft spielt eine ganz entscheidende Rolle in Landwirtschaft und Landschaft des Oberallgäus (im alemannischen Sprachenraum des Allgäus heißt es nicht: Almen bzw. Almwirtschaft). Auf über 20.000 ha Nutzfläche werden für 100 Tage zwischen Juni und September jährlich ca. 27.000 Stück Rindvieh, darunter 3.000 Kühe, auf die 623 staatlich anerkannten Alpen des Oberallgäus (zwischen 1.000 und 2.000 m Meereshöhe) aufgetrieben. Hier weidet das Vieh auf Senn- bzw. Galtalpen und schafft, ganz nebenbei, einen für den Landkreis höchst wichtigen Effekt: durch Abweiden und Kurzhalten des Grases wird die Kulturlandschaft, für die das Allgäu bekannt ist, erhalten. Nicht nur der für den Landkreis Oberallgäu wirtschaftlich so wichtige Tourismus profitiert davon, sondern auch die einheimische Bevölkerung in vielfacher Hinsicht. „Urlaub auf dem Bauernhof“ hat heute eine für die Fortführung der Landwirtschaft entscheidende Bedeutung. Die Einnahmen aus diesem Erwerbszweig bringen vielen landwirtschaftlichen Betrieben bereits mehr als 50 % ihres Einkommens.
Natur- und Landschaftsschutz spielen in dieser Region, die geprägt ist von landschaftlichen Besonderheiten, natürlich eine große Rolle. So gibt es hier 10 Naturschutzgebiete und 25 Landschaftsschutzgebiete, die annähernd 40 % der Landkreisfläche abdecken. Daneben finden sich noch etwa 90 Naturdenkmäler und geschützte Landschaftsbestandteile.
An Sehenswürdigkeiten und Ausflugszielen ist der Landkreis Oberallgäu besonders reich. Einige Beispiele: Breitachklamm, Starzlachklamm, Steigbach- und Hirschbachtobel, Buchenegger Wasserfälle, Sturmannshöhle, Dengelstein, Teufelsküche, Eisenbreche, Gottesackerplateau, Illerdurchbruch, Kemptener Wald, Aussichtsturm Wenger Egg, Blender Aussicht und viele Berge. Besonders zu erwähnen sind auch agrarwirtschaftlich geprägte Ziele, wie: Allgäuer Bergbauernmuseum Immenstadt-Diepolz, Ostrachtaler Hammerschmiede Bad Oberdorf, Bauernhausmuseum Oberstaufen, Heimatmuseum Gerstruben, Heimathaus Sonthofen, Heimatmuseum Hofmühle Immenstadt, Käse- und Flachsmuseum Altusried, Carl-Hirnbein-Museum Missen, Heimatmuseum Wertach, Kutschenmuseum Hinterstein, Bergbauernhof Hoiser Unterjoch u. v. a.
Liebevoll erhaltene Kapellen, wie die von der Alpe Simatsgund mit wertvollem Altar, die Hölzerne Kapelle bei Immenstadt, Hölzerne Kapelle von Rohrmoos (1587, herrlich ausgemalt!), die romanische St. Nikolauskapelle in Emmereis oder Mühlen (Fischinger Obermühlensäge, historische Säge Gerstruben, Aheggmühle mit Fachwerk); alte Bauernhäuser, wie sie noch im Gunzesrieder Tal, im Ostrachtal oder auch im Kemptener Vorland stehen; Wegkreuze, wie das Prinzenkreuz im Oytal; Gedenksteine Burgus Kenels bei Buchenberg, römischer Meilenstein aus dem 3. Jahrhundert bei Wengen), oder historische Alphütten, sind noch häufig zu finden. Kunstschätze besonderer Art zieren die Kirche von Bad Oberdorf (Jörg Lederer Altar, Bild von Hans Holbein d. Ä., Palmesel), die Kapellen von Liebenstein (eine der ältesten im Allgäu), Reichenbach (Strigelaltar), Zell bei Oberstaufen (Strigelaltar), Berghofen (Strigelaltar), Frauenzell (gotische Madonna, Wessobrunner Stuck), Haldenwang (spätgotisches Hochrelief, Anna Selbdritt von 1440), Rettenberg (Werke der Künstlerfamilie Weiß) oder Wiggensbach (Deckenfresken, Stuck).
Eine große Anzahl von Berg- und Wanderzielen ergänzt die Attraktivität des Landkreises Oberallgäu. Berühmt sind das Dreigestirn von Trettachspitze, Mädelegabel und Hochfrottspitze, Biberkopf (Deutschlands südlichster Gipfel), Höfats (Edelweißberg), Hochvogel, Großer Daumen, Grünten ("Wächter des Allgäus"), Nebelhorn und Fellhorn (mit Kabinenbahnen erschlossen). Das Wandergebiet Nagelfluhkette zwischen Immenstadt und Oberstaufen ist bekannt wegen seiner Frühjahrsflora, die Flyschberge werden ob ihrer weiten, aussichtsreichen Wanderwege gerne aufgesucht und die Berge des alpinen Kalkes sind beliebte Ziele von Bergsteigern und Kletterern. Zwei Klettersteige, der Mindelheimer Klettersteig und der Hindelanger Klettersteig, stellen große Herausforderungen an die Begeher.
Im Winter dienen die Berge im südlichen Teil des Landkreises dem Wintersport. Eine Reihe von Kabinenbahnen, Sesselliften und Schleppliften befördern Tages- und Aufenthaltsgäste in beliebte Skigebiete. Daneben gibt es Ski-Langlaufen, Winterwandern auf geräumten Wegen, Schneeschuhwandern, Rodeln, Eislaufen oder Skitourmöglichkeiten. Viele Bauern haben sich im Winter als Helfer bei Liften und Bergbahnen einen guten Nebenverdienst geschaffen.
Der Landkreis Oberallgäu war schon immer ein Durchgangsgebiet gewesen. In der Bronzezeit führte ein Knüppeldamm, von dem Reste im Heimathaus Sonthofen aufbewahrt werden, quer durch das Moorgebiet zwischen Burgberg und Immenstadt und deutet auf eine frühe Ansiedlung von Menschen. Die Römer bauten die Via Decia (Reutte-Bregenz) durch den südlichen Landkreis, später folgte die Salzstraße Hall-Bodensee. Heute führen die A 7, die Deutsche Alpenstraße und eine Reihe weiterer wichtiger Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen durch die Region.
Die Iller ist der Hauptfluss im oberen Allgäu. Sie entsteht durch Zusammenfluss von Trettach, Stillach und Breitach nördlich von Oberstdorf und fließt an Sonthofen, Immenstadt und Kempten vorbei nach Norden. Im Osten verlässt die Wertach schon nach wenigen Kilometern den Landkreis Richtung Ostallgäu. Sie findet ihren Ursprung durch Vereinigung zweier Bäche zwischen Ober- und Unterjoch.
Schöne Seen (Wasserfläche im Landkreis Oberallgäu 2.762 ha = 1,8 %) bestimmen das Bild des Landkreises Oberallgäu. Zu den bekanntesten zählen der Niedersonthofener-, Rottach-, Grüntensee, Schrecksee und die beiden Alpseen bei Immenstadt.
Als Zeugnisse früherer Herrschaftsbereiche, deren es im oberen Allgäu einige gab, stehen die Reste von Burgen, die teilweise mit viel Geld und Liebe restauriert und gesichert wurden. Zu erwähnen sind als Beispiel die Ruinen Laubenberger Stein bei Immenstadt, Sulzberg,
Langenegg, Fluhenstein, Vorderburg u.a. Die bäuerliche Bevölkerung hatte unter ihren "Herren" durch Jahrhunderte zu leiden. Oft war sie leibeigen, ohne Rechte und Freiheit. Letzten Endes führte dies zum Bauernkrieg 1525, der für die Bauern in einer Katastrophe endete. Erst danach begann durch die Vereinödung ihre Besserstellung.
Das Wappen des Landkreises Oberallgäu fasst Farben und Symbole der einstigen Landkreise Kempten und Sonthofen zusammen. Der silberne Dreifels symbolisiert den Allgäuer Hauptkamm im Süden, die drei staufischen Löwen erinnern an die frühere Zugehörigkeit zum Herzogtum Schwaben.
Die Vielfalt des Landkreises Oberallgäu ist auf dem zur Verfügung stehenden Platz nur andeutungsweise wieder zu geben. Ein persönlicher Besuch im oberen Allgäu oder Studium einschlägiger Literatur wären daher sehr zu empfehlen.
Text: Dr. Peter Nowotny
Literatur
-Alpwirtschaft - die Entstehung unserer Kulturlanschaft. (Hrsg. v. Nowotny, Peter.) Kempten 1991
-Unser Lankreis Oberallgäu. (Hrsg. v. Landratsamt Oberallgäu.) Sonthofen 1988
-Herrmann, Norbert:
Kempten und das Oberallgäu. Kempten 1984
-Nowotny, Peter:
Die Iller und ihr Tal. Immenstadt 1999
-Nowotny, Peter:
Fenster zum Allgäu. Kempten 1992
-Nowotny, Peter:
Vereinödung im Allgäu und den angrenzenden Gebieten. Kempten 1984
-Scholz, Herbert; Scholz, Udo:
Das Werden der Allgäuer Landschaft. Kempten 1981