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Landkreis (Landratsamt) Ostallgäu

Beschreibung
Wenn Landkreise sich mit werbewirksamen Beinamen schmücken, kann man getrost auf eine bedeutende wirtschaftliche Stellung des Tourismus schließen und von da auf eine wunderschöne Landschaft. So auch beim Landkreis Ostallgäu: "Landkreis der Schlösser, Berge und Seen" nennt er sich und wirklich gehört er zu den landschaftlich reizvollsten Gegenden in Deutschland. Ja sogar auf der ganzen Welt ist dieser Fleck Erde bekannt, denn hier steht Schloss Neuschwanstein (1869-1886 erbaut). Heute leben rund 135.000 Menschen im Landkreis. 80 % werden steuerrechtlich zur katholischen Konfession gerechnet, 10 % zur evangelischen. Die Menschen haben viel Platz, denn das Ostallgäu gehört zu den bayerischen Landkreisen mit großer Fläche und geringerer Einwohnerdichte (97 Einwohner pro qkm). Die herrschende Siedlungsform ist die Streusiedlung mit sehr vielen Weilern und Einöden. 44 Gemeinden umfasst der Landkreis, darunter die drei Städte Buchloe, Füssen, Marktoberdorf und 7 Märkte. Die kreisfreie Stadt Kaufbeuren liegt zwar mitten im Kreis, verwaltet sich aber selbständig. Die Stadt ist wirtschaftliches Zentrum des Ostallgäu. Berühmt ist ihr historisches Schauspiel, das 1493 von Kaiser Maximilian gestiftet wurde. Dabei stellen Kinder im ältesten Kinderfest Bayerns den Besuch des Herrschers in der Stadt nach. Kaufbeuren ist der Geburtsort des Volksschriftstellers Ludwig Ganghofer, dessen bekannteste Romane im bäuerlichen Milieu spielen.
Der von Norden nach Süden 65 km lange und von Ost nach West 32 km messende Landstreifen ist zu 28 % von Wald bedeckt, im Süden weit mehr, im Norden weniger. Seine Südgrenze ist auf 40 km Länge Landesgrenze zu Tirol. Der Landkreis teilt sich in zwei Räume: die Allgäuer Alpen und das Ammergebirge im Süden und das Alpenvorland in der Mitte und im Norden. Die alpinen Gipfel steigen über 2.000 m auf, sie bestehen aus Kalkgestein. Vor diesen Bergen liegt eine breite Zone aus Flysch-Sedimenten, die gerundete Waldberge ausbilden. Davor breitet sich 40 km weit der zum Landkreis gehörende Teil der durch Gletscher und deren Schmelzwässer geschaffenen Iller-Lech-Platte aus (rund 600 m NN), das klassische Forschungsgebiet der Eiszeitgeologie. Hier gelang es erstmals anhand der gefundenen Relikte, die Vorstöße und Rückgänge des Eises durch die Jahrtausende zu unterscheiden. Durch wenige Alpentore ergossen sich drei Gletscher ins Alpenvorland: Lech-, Wertach- und Illergletscher. Wo sie das Gebirge verließen, breiteten sich die Eisströme fächerförmig in Teilströme auf, die sich in den aufeinanderfolgenden Eiszeitepochen auch untereinander verbanden. Beim Abschmelzen des Eises bildeten sich Gletscherzungenbecken, in denen heute die Ostallgäuer Seenplatte ruht, dazu mächtige Endmoränenwälle und viele kleine und größere Moore.
Das Klima im Landkreis ändert sich merklich, je näher man den Alpen kommt. Die Jahresdurchschnittstemperatur im nördlichen Teil beträgt 7,5 Grad C, im Süden nur 6,5 Grad. Im Norden gibt es 30-40 Tage, an denen die Temperatur dauernd unter 0 Grad bleibt, im Süden sind es 40-50 und im Gebirge bis 70. Der an 70 Tagen im Jahr wehende warme Föhnwind entschädigt für die Kälte. Wie die Kälte, so nimmt auch der Niederschlag gegen die Alpen hin zu, im nördlichsten Teil des Kreises sind es 1.000 mm/Jahr, am Alpenrand 1.700 mm. Der meiste Regen fällt im Sommer, was die Vegetation begünstigt. Schnee macht im Norden 15, im Süden mehr als 20, im Gebirge sogar 25 % des Niederschlags aus. Dieses Allgäuer Klima ist gesund, was die 16 Gemeinden bezeugen, die sich Kneippheilbäder, Kneippkurorte, heilklimatische Kurorte, Luftkurorte oder Erholungsorte nennen dürfen. Der viele Regen fließt durch mehrere zur Donau strebende Flüsse ab. Größter Fluss ist der Lech, der nördlich von Füssen künstlich zum Forggensee aufgestaut wird, aber er verlässt den Landkreis bald. Wichtigster Fluss ist daher die Wertach mit ihren Zuflüssen, die den Landkreis in ganzer Länge von Süden nach Norden durchströmt. Früher trugen die Flüsse Flöße, heute wickelt sich der Verkehr auf vier Eisenbahnlinien und zwei Autobahnen ab.
Das Schicksal der Landwirtschaft im Ostallgäu wird entscheidend von der Milchpolitik bestimmt, denn die Rinderhaltung ist der einträglichste Wirtschaftszweig. Über 150.000 Rinder grasen hier, darunter 80 000 Milchkühe. Der Viehhandel konzentriert sich heute in der "Schwabenhalle" in Buchloe. Die dortigen Auftriebe bei 12 Zuchtvieh- und 24 Nutzkälberauktionen sind berühmt. Nur im nördlichen Teil des Landkreises beträgt der Ackeranteil rund 20 %. Dort gibt es einzelne Lößlehmplatten mit Bodenwertzahlen zwischen 60 und 70. Der überwiegende Teil der Agrarfläche des Landkreises liegt auf diluvialen Ablagerungen mit Bodenzahlen von 40-60, außerdem gibt es Moorböden, die nur Zahlen zwischen 10 und 20 erreichen. In der alpinen Zone wird eine ausgedehnte Alpwirtschaft betrieben. Im mittleren Landkreisteil gibt es kaum noch Ackerbau, sondern nur noch intensives Grünland. Das setzt sich mit allerdings etwas geringerer Intensität im Süden fort. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nimmt ständig ab, 3.189 Höfe mit 2 und mehr Hektar und nur noch 1,4% der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der Landwirtschaft verzeichnete im Jahr 2002 die amtliche Statistik.
Die Jahrhunderte lange Kulturarbeit der Bauern machte es möglich, heute im Landkreis 8 % der Fläche als Naturschutzgebiete auszuweisen, darunter das Ammergebirge, das in den Nachbarkreis Garmisch-Partenkirchen hinüberreichende größte Naturschutzgebiet Bayerns. Dazu kommen 18 Landschaftsschutzgebiete, die weitere rund 9 % der Fläche einnehmen. Kleinere Flächen sind geschützte Landschaftsbestandteile wie Halbtrockenrasen, Streuwiesen und Auwald. Rund 150 Naturdenkmäler weist der Landkreis aus, darunter die berühmte Lindenallee bei Marktoberdorf, eines der schönsten Naturdenkmäler Bayerns, um 1800 von Kurfürst Clemens Wenzeslaus, Fürstbischof von Augsburg, angelegt.
Die Landschaft wird bereichert durch Dörfer, deren Schönheit von ihren Bewohnern in gemeinschaftlicher Anstrengung gepflegt wird. So viele Dörfer wie in wenigen anderen Landkreisen Deutschlands sind hier mit Goldmedaillen ausgezeichnet worden. Umfangreich ist auch die Liste der Baudenkmäler, 1300 sind es, dazu 7 Orts- und Teilensembles und 116 archäologische Geländedenkmäler. Besonders wertvolle Baudenkmäler sind:
- die Königsschlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau;
- das ehemalige Kloster St. Mang und die St. Mang Kirche;
- das "Hohe Schloss" in Füssen, eine der am besten erhaltenen spätgotischen Burganlagen Deutschlands, es diente den Fürstbischöfen von Augsburg 500 Jahre lang als Residenz;
- das ehemalige fürstbischöfliche Jagdschloss (erbaut von Johann Georg Fischer) und die Pfarrkirche in Marktoberdorf;
- die ehemalige Benediktinerabtei mit Klosterkirche St. Peter und Paul in Irsee, heute residiert im Kloster das Schwäbische Erwachsenenbildungszentrum;
- die Wallfahrtskirchen St. Ottilia in Hörmannshofen und St. Coloman in Schwangau, St. Wendelin in Germaringen und Maria Trost in Nesselwang;
- die Burgruinen Hohenfreyberg, Eisenberg und Falkenstein, letztere die höchstgelegene Burg in Deutschland;
- das 1468 erbaute Schloss zu Hopferau, das ab 1999 komplett restauriert wurde.
17 Museen und Sammlungen bewahren und pflegen das Kulturgut des Ostallgäus.
Mehrere Heimatmuseen und das Bauernmuseum in Eggenthal kümmern sich besonders um das Agrarkulturerbe. Zu diesem Erbe zählen auch eine ganze Reihe denkmalgeschützter, oft hervorragend restaurierter Bauernhöfe, z.B. in der Gemeinde Görisried das Haus Staig 4, erbaut 1811, das unverkleideten Ständerbohlenbau mit vorkragenden, in Drachenköpfen auslaufenden Stichbalken bietet oder ein renovierter Hof in Halblech-Trauchgau. Für schöne, alte Bauernhäuser ist die Gemeinde Oberostendorf bekannt. Auch mehrere alte Gasthäuser und Mühlen sind gut erhalten, so in der Gemeinde Pforzen das Gasthaus "Goldener Hirsch" von 1547 und eine Mühle von 1573. Die Gemeinde Jengen ist stolz auf ihren renovierten Pfarrhof in Beckstetten, der heute als Kindergarten genutzt wird. Außer den schon genannten Kirchen sind noch mehrere andere erwähnenswert: in Eisenberg die barocke Wallfahrtskirche "Mariahilf" (1660-64) mit schönem Altar; in Germaringen die St. Georgskirche auf dem Georgiberg (718 m), die älteste vollständig erhaltene romanische Kirche im ganzen Bezirk, deren Apsismalerei als herausragende Leistung der mittelalterlichen Kunst gilt; in der gleichen Gemeinde das Rokokojuwel der Pfarrkirche St. Jakobus in Ketterschwang (1757/58); in Ruderatshofen findet sich in der Kirche ein kunstgeschichtlich bedeutsames spätgotische Sippenbild der Herren von Rotenstein; auch Seeg, Oberthingau und Oberostendorf können sich großartiger Kirchen im Barock- und Rokokostil rühmen.
Dieses Erbe wurde in einer bewegten Geschichte angesammelt, die in der Alt- und Mittelsteinzeit mit zahlreichen Funden von steinernen Kleinhandwerkszeugen beginnt. Das Allgäu muss demnach damals von Menschen besiedelt gewesen sein. Infolge eines Kälteeinbruchs in der Jungsteinzeit verödete das Allgäu wieder, es finden sich keine Siedlungsspuren mehr. Aus der Bronzezeit sind viele archäologische Funde bekannt, vor allem im Pfrontener Tal und Füssener Becken. Aus dieser Zeit stammt ein Fund an der Stelle der Schwarzen Burg bei Blöcktach, der als älteste mit Sicherheit datierbare Siedlung gilt. Es gibt auch Grabbeigabenfunde, z.B. bei Bidingen, Geisenhofen und Unterthingau, und Hügelgräber. Dennoch ist eine systematische Erschließung nicht bewiesen. In der Eisenzeit lebten im Kreisgebiet illyrische Bewohner, die sich dem Eisenerzabbau, der Eisenverhüttung, der Eisenverarbeitung sowie dem Salzbergbau und Salzhandel widmeten. Ab 500 v.Chr. siedelten im Allgäu die Räter, illyrischen Ursprungs, und im Norden Kelten. Reste von Siedlungs- und Befestigungsanlagen wurden u.a. in der ehemaligen Keltenfestung Damasia auf dem Auerberg festgestellt. Die Kelten tauften auch die Flüsse Lech, Vils, Wertach, Geltnach, Gennach.
15 v.Chr. erschienen die Römer in ihrer späteren Provinz Rätien. Von ihnen stammt ein dichtes Straßennetz, besonders die Via Claudia Augusta über Reschen- und Fernpass vorbei an Füssen nach Augsburg führend. Römische Siedlungen gab es an vielen Stellen im Landkreis. Wie der Münzschatz von Ronsberg beweist, begannen ab 234 n.Chr. die Alemannen das Gebiet zu bedrohen. Um 450 gaben die Römer das Land nördlich der Alpen endgültig auf und alemannische Dorfgründungen begannen, zuerst die -ingen und -heim-Orte, später -dorf und -stätten-Orte und weiter die -hofen, -wang, -haus, -beuren, -au, -weiler, rieden-Orte. Alemannische Herzöge etablierten sich, stets im Widerstand gegen eine fränkische Oberherrschaft, aber 746 wurde das Gebiet doch ganz in die fränkische Verwaltung eingegliedert. Damals wurde das Land in größere Gaue gegliedert mit einem Grafen als königlichem, also fränkischem Beamten an der Spitze. Im 10. Jahrhundert erstarkte das Standesbewusstsein der Alemannen erneut und es entstand das Herzogtum Schwaben, freilich immer unter kaiserlicher Obhut. Herzogsgeschlechter waren die Welfen und nach ihnen die Staufer. Nach deren Niedergang erstarkten in den Wirren des Interregnums die geistlichen Herrschaften und weltliche Ministeriale schwangen sich zu regionalen Grundherren auf. Auf dem Gebiet des Landkreises entstand eine ganze Reihe von Grundherrschaften, deren Besitztümer aber nie zu geschlossenen Territorien zusammenwuchsen. Bedeutendster Grundherr wurde das Hochstift Augsburg, daneben das Fürststift Kempten, das Benediktinerstift St. Mang in Füssen, die Herrschaften Eisenberg und Hopferau. Auch der Bayernherzog erwarb Ländereien, so z. B. 1567 die Herrschaft Schwangau, auf deren Gebiet heute das weltbekannte Schloss Neuschwanstein liegt. Die Freie Reichsstadt Kaufbeuren behielt ihren Status von 1286 bis 1802 als im Zuge der Säkularisierung und Mediatisierung die Landeshoheit im gesamten Ostallgäu an Bayern fiel. In anderen Teilen des Ostallgäu hatte die Herrschaft viel öfter gewechselt, weil herrschende Familien ausstarben, Land im Erbgang geteilt wurde, ganze Dörfer und Märkte, immer mitsamt ihren Bewohnern, verpfändet, oft erst nach langer Zeit wieder eingelöst oder auch freihändig verkauft und wiederverkauft wurden. Dabei traten neben den adeligen Herrschaften auch bürgerliche Patrizier als Landeigentümer und damit als Grundherren auf.
Wie in anderen schwäbischen Gebieten, so hauste auch im Ostallgäu der Krieg und die Pest, am schlimmsten 1634/35, wovon neben anderen der Pestfriedhof bei der Kirche St. Coloman zeugt. Diese Kirche ist eines jener Postkartenmotive, das bei den Fremden das Bild von Bayern formt. Nach dem großen Sterben war das Gebiet lange Einwanderungsland für Menschen aus Tirol und der Schweiz.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche
Literatur
-Ostallgäu, ein Landkreis im Wandel der Zeit, 1972-2002. (Hrsg. v. Landratsamt Ostallgäu.) Marktoberdorf 2002
-Hutter, Michaela:
Ostallgäu. Ein Landkreis stellt sich vor. (Hrsg. v. Landratsamt Ostallgäu.) Marktoberdorf 1995