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Stadt (Stadtverwaltung) Straubing

Beschreibung
Die kreisfreie Stadt Straubing und der Landkreis Straubing sind durch die Jahrhunderte hindurch der Mittelpunkt der niederbayerischen Landwirtschaft gewesen. Noch 1950 arbeiteten 38% aller Erwerbstätigen des Landkreises in der Landwirtschaft, während es in Bayern damals nur noch 13% waren. "Straubing", "Gäuboden", "Kornkammer", diese drei Begriffe gehören auch heute noch zusammen. Der moderne Landkreis Straubing-Bogen besteht aber nicht bloß aus dem Gäuboden, sondern aus zwei gleich großen, jedoch landwirtschaftlich grundverschiedenen Gebietsteilen, die durch die Donau voneinander getrennt werden. Der nördliche Landkreisteil wird geprägt von der Berglandschaft des Bayerischen Waldes mit seinen ertragsarmen Urgesteinsverwitterungsböden und Höhenlagen von 400 bis 700 m, in Gipfeln über 1000 m. Ungünstiges Klima (Niederschläge 800-1200 mm, Lufttemperaturmittel 6,50 C, 10 Sommertage mit mindestens 250 C, bis 100 Schneetage mit mindestens 10 cm Schneedecke), schwieriges Gelände, kleine Höfe (Durchschnittsgröße rund16 ha), hoher Wald- und Grünlandanteil machen dieses Gebiet zu einer benachteiligten Agrarzone. Milcherzeugung herrscht vor. Der südlich der Donau gelegene Landkreisteil gliedert sich in zwei Untereinheiten: die Donauebene (tiefster Punkt 310 m) und das Donau-Isar-Hügelland. In der Donauebene sind die Donauniederungen mit ihren kiesigen, zum Teil auch feuchten, lettigen Böden, ihren Altwässern und Auwäldern zu unterscheiden von den etwas höher gelegenen Flächen, die mit sehr fruchtbarem Löß bedeckt sind. Ein wald- und fast baumloses Gesicht bestimmt dieses seit Jahrtausenden bewirtschaftete Gebiet niederbayerischen Ackergäues (durchschnittliche Hofgröße rund 35 ha, Lufttemperaturmittel 8,10 C, 683 mm Niederschläge, 40 Sommertage, unter 20 Schneetage). Nach Südwesten geht die Donauebene allmählich in ein Hügelland über (360-470 m), das von den Tälern der Donaunebenflüsse Kleine Laaber und Aiterach geprägt wird. Auch hier überwiegt die Ackernutzung auf fruchtbaren Böden. Rund 3000 Bauernhöfe werden im Landkreis noch bewirtschaftet, fast 60% im Nebenerwerb. Jedes Jahr schrumpft die Zahl der Höfe um 3%.
Der von besten Böden gesegnete Teil wurde schon vor fast 8000 Jahren von jungsteinzeitlichen Bauern besiedelt (z. B. "Münchshöfener Kultur"). Davor streiften frühe Jäger der Altsteinzeit durch den damals bewaldeten Gäuboden, wie wieder entdeckte Steinwerkzeuge (bei Salching) oder eine Wohnhöhle am Buchberg bei Münster beweisen. Im 8. Jahrhundert v. Chr. gab es Gutshöfe, deren Spuren sich im Boden von Gäu und Hügelland nachweisen lassen: große viereckige Hofanlagen, von metertiefen Gräben eingefasst. Ihre einstigen Bewohner ruhen unter großen Grabhügeln, die sich in Wäldern oberirdisch erhalten haben, aber jetzt mehr und mehr auch in den Flussauen entdeckt werden. Vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts vor Christi Geburt steuerten die Kelten die Geschicke der Gegend. Neben Funden aus Siedlungen und Gräbern haben sie ihre heiligen Bezirke hinterlassen. Als Viereckschanzen haben sich wenige bis heute im Schutz der Wälder erhalten, die bedeutendsten bei Geiselhöring.
Kurz vor Christi Geburt nehmen die Römer das Land in Besitz. Für fast fünf Jahrhunderte wird die Donau zur Grenze zwischen der Provinz Raetien und dem freien Germanien. Von dem römischen Kastell "Sorviodurum" am Südufer der Donau wird nach 550 n. Chr. der Name einer Siedlung in unmittelbarer Nachbarschaft, "Strupinga", abgeleitet. Ein prächtiger Schatzfund aus jener Zeit kam 1950 bei Alburg ans Licht. Diese und weitere Funde (Gebrauchs- und Kunstgegenstände, Münzen, Fibeln, Werkzeuge, Inschrifttafeln, Steinplastiken, Terra sigillata, Paraderüstungen für Ross und Reiter) zeigen das Gäubodenmuseum in Straubing sowie das Kreis- und Heimatmuseum auf dem Bogenberg.
Erst im 8. Jahrhundert n. Chr., nach sechs Jahrtausenden dauerhafter Besiedelung, wird Geschichtsschreibung im Landkreis aufgrund spärlicher schriftlicher Quellen möglich. Einige Orte verdanken ihnen ihre erste urkundliche Erwähnung um das Jahr 740 n. Chr. Längst war der Raum zum Kerngebiet der Bajuwaren geworden.
Der unwirtliche Bayerische Wald wird erst ab dem 9. und 10. Jahrhundert von den eigens zu diesem Zweck erfolgten Klostergründungen Oberaltaich und Windberg aus planmäßig besiedelt. Wie überall im Bayerischen Wald wechseln hier wenige geschlossene Dörfer mit weit verstreuten Weilern und Einödhöfen ab. Heute liegen 1250 verschiedene Orte im Landkreis, 950 davon im nördlichen Teil, die meisten Weiler und Einöden. Den Schutz der Kolonisierung übernahmen die Grafen von Bogen, die in den Quellen im 11. Jahrhundert auftauchen. Als Wappen führten sie die weißblauen Rauten. Über die letzte Bogener Gräfin Ludmilla, die 1204 in zweiter Ehe Ludwig den Kelheimer heiratet, gelangen die heute weltbekannten bayerischen Rauten nebst dem immensen Landbesitz der Donaugrafschaft bis hinein nach Böhmen an das wittelsbachische Bayern. Ludwig der Kelheimer erhebt 1218 seine direkt neben der alten Siedlung "Strupinga/Straubing" gelegene Neugründung zur Stadt. Bei der bayerischen Landesteilung von 1349 wird Straubing Residenzstadt eines Teilherzogtums und blieb auch nach der erneuten Vereinigung der bayerischen Herzogtümer bis ins 19. Jahrhundert eine der bevorzugten Regierungsstädte. Straubing gilt heute immer noch als Bauernstadt. In ihrem ältesten Siegel steht denn auch der Pflug als bäuerliches Symbol. Auch der heutige Landkreis führt bäuerliche Symbole in seinem Wappen: zwei Ähren.
Das Straubinger Bauernland war die längste Zeit seiner Geschichte hindurch ein reiches Land. Allerdings hatte es deswegen unter Kriegen besonders stark zu leiden, so im Dreißigjährigen Krieg (1633), im Spanischen Erbfolgekrieg (1704), dem Österreichischen Erbfolgekrieg (1744) und den napoleonischen Kriegen (1803). Dennoch erhielt sich die Wohlhabenheit dieses Landstrichs und spiegelt sich heute besonders in seinen Kirchen wider. Kaum ein Dorf, das nicht seinen stattlichen Kirchturm besitzt und dazu die meist prunkvoll ausgestattete Kirche. Erhaltene Bauten und Ausstattungsstücke finden sich ab der Romanik, in der Hauptsache aber aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Danach sind alle Stilepochen vertreten. Nahezu 200 kirchliche Baudenkmäler verzeichnet die offizielle Denkmalliste für Stadt und Landkreis Straubing-Bogen. Dazu kommt sakrale Kunst aus allen Stilepochen, darunter besonders bemerkenswert zahlreiche gotische Madonnen. Eine davon ziert das Landkreiswappen.
Die heute kreisfreie Stadt Straubing war über ihre Schranne am Erntesegen des Gäubodens beteiligt und konnte sich großartige Kirchen leisten. Zwei davon sind am bekanntesten: Erstens die älteste Pfarrkirche St. Peter (um 1180) mit einer der bedeutendsten Friedhofsanlagen im deutschen Sprachraum, der Agnes Bernauer-Kapelle (sie erinnert an das tragische Schicksal der nicht legitimen Gattin des Herzogs Albrecht III., die 1435 in der Donau ertränkt wurde) und der Totentanzkapelle; zweitens die Ursulinen-Klosterkirche "Unbefleckte Empfängnis", das letzte Zeugnis des künstlerischen Schaffens der Gebrüder Asam, Bauzeit 1736-1741.
Wie im übrigen Niederbayern so hatten - und haben zum Teil noch - auch im Landkreis Straubing-Bogen Wallfahrten und die damit verbundenen Wallfahrtskirchen und Gnadenstätten für die ländlich-bäuerliche Bevölkerung eine herausragende religiöse Bedeutung. Volkskundler listen 24 Wallfahrtsstätten auf. Die älteste Marienwallfahrt Bayerns (seit 1104) führt auf den Bogenberg zur Wallfahrtskirche Hl. Kreuz und Mariae Himmelfahrt mit dem Gnadenbild der "Maria Gravida" (um 1400). Dort ist auch religiöses Brauchtum noch lebendig: das alljährlich an Pfingsten dargebrachte Kerzenopfer des Pfarrdorfes Holzkirchen bei Ortenburg; es geht zurück auf eine Borkenkäferplage, ein Unwetter und eine nachfolgende Missernte im Jahre 1492. Tausende von Touristen bestaunen, wie eine 13 Meter hohe Kerzenstange auf den Bogenberg hinaufgetragen wird. Eine weitere bekannte Wallfahrtskirche steht in Frauenbrünnl bei Straubing (1705/07): ein kleeblattartiger Bau mit achteckiger Kuppel und bedeutenden Fresken von Georg Asam. Markmiller nennt sie treffend "Mariens Thron in der niederbayerischen Sakrallandschaft". Berühmt ist auch die Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Sossau, eine der ältesten Wallfahrten in Deutschland (romanisches Langhaus, 1350/52 erhöht und mit einem gotischen Chor versehen, Spätbarock-Rokoko-Ausstattung, Gnadenbild: stehende Muttergottes, Kalksteinfigur frühes 14. Jh.). Weitere Wallfahrtskirchen sind in Haindling (1719/21, eine der ältesten Wallfahrten im Bistum Regensburg mit Doppelkirchenanlage), Neurandsberg (um 1700), Pilgramsberg (spätes 17. Jh.), Windberg (1695 auf einem Aussichtsberg erbaut) und Niederachdorf (1705 angebaute prachtvolle Rotunde). Bewundert wird auch das reiche Akanthusrankenwerk an den Altären in Großaich und Welchenberg. Sehenswerte sakrale Kunst außerhalb von Kirchen stellen auch das Gäubodenmuseum in Straubing und das Kreis- und Heimatmuseum auf dem Bogenberg aus.
Diese beiden Museen zeigen außerdem Ausstellungsstücke aus dem Agrarkulturerbe, so das Bogenberger Museum eine ausgezeichnete Sammlung landwirtschaftlicher Geräte aus dem 19. Jahrhundert, ebenso das Museum "Troadbodn" in Geiselhöring, die Heimatmuseen in Mitterfels und Rattenberg. In Rattenberg steht auch das Bulldog-Oldtimer-Museum, das landwirtschaftliche Maschinen sammelt.
Aus bäuerlichem Erntebrauch erwachsen ist das Gäubodenfest in Straubing, heute das zweitgrößte Volksfest Bayerns. Drei weitere Orte im Landkreis feiern ebenfalls auf Erntefeste zurückgehende Volksfeste. Eine weitere Brauchtumsveranstaltung, die zur touristischen Attraktion geworden ist, findet am Pfingstmontag in St. Englmar statt: das Englmari-Suchen, ein ländliches Spiel mit ernsthaft religiösem Hintergrund zur Erinnerung an die Einholung der sterblichen Hülle des Eremiten Engelmar, der um 1100 ermordet wurde. Bauerntheater haben ebenfalls Tradition.
Drei agrarhistorisch bedeutende Persönlichkeiten stammen aus dem Landkreis: Josef Schlicht (1832-1917), dessen Erstlingswerk "Bayerisch Land und Bayerisch Volk" (1875, 1927) als Klassiker der bayerischen Volkskunde gilt, sowie Karl Gandorfer(1875-1932) und sein Bruder Ludwig (1880-1918), die mit dem Bayerischen Bauernbund die "Sozialdemokratie des flachen Landes" begründen wollten, maßgeblich an der Revolution von 1918 beteiligt waren und 1919 der Räterepublik in München zur Macht verhalfen. Ludwig Gandorfer besaß zunächst einen 92-Hektar-Hof in Illbach (bei Geiselhöring), später den berühmten Zollhof in Pfaffenberg, der im Ersten Weltkrieg ein Treffpunkt von Revolutionären war. Karl Gandorfer wurde 1911 Bürgermeister von Pfaffenberg.
Zwar ist die südliche Landkreishälfte mit der Donau altes besiedeltes Land und deshalb seit vielen Jahrhunderten intensiv genutzt und nur der nördliche Teil naturnäher geblieben. Dennoch gibt es im Landkreis 7 Naturschutzgebiete, 5 Landschaftsschutzgebiete, 29 Naturdenkmäler, z.B. die "Rotbuche am Gallnerberg" in der Gemeinde Konzell und die "Stieleichen bei Gut Puchhof" in der Gemeinde Aholfing. Außerdem sind 32 Landschaftsbestandteile und 2701 ökologisch besonders erhaltenswerte und schutzwürdige Biotope mit insgesamt 3820 ha Fläche vorhanden. Der Landschaftspflegeverband Straubing-Bogen bemüht sich um die Erhaltung der kartierten und die Schaffung von neuen Biotopen.
Auf der naturnahen Landschaft des nördlichen Landkreisteils im Bayerischen Wald beruht ein florierender Fremdenverkehr, von dem auch die Landwirtschaft erheblich profitiert. Wegen der Höhenlage einiger Orte, allen voran St. Englmar (800-1095 m), kann auch Wintersport betrieben werden. Gewerbliche Arbeitsplätze gibt es in erfreulich großer Zahl im Donautal, denn der Wirtschaftsraum Straubing-Bogen konnte in den vergangenen Jahren eine überaus erfolgreiche Entwicklung verzeichnen. Diese Region im Herzen Europas hat sich zu einem leistungsfähigen mittelständischen und industriellen Standort gewandelt. In der Landwirtschaft arbeiten nur noch rund zehn Prozent der Erwerbstätigen.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche
Literatur
-Kirchen von der Romanik zum Rokoko, Stadt Straubing, Landkreis Straubing-Bogen (Hrsg. v. Fremdenverkehrsverein Straubing e.V.; Stadt Straubing; Landratsamt Straubing-Bogen.) Straubing 
-Bleibrunner, Hans:
Niederbayern. Kulturgeschichte des Bayerischen Unterlandes 2 Bde (Hrsg. v. Berzirkstag von Niederbayern.) Landshut 1979/80
-Markmiller, Fritz; Spitta, Wilkin:
Dorfkirchen in Niederbayern Regensburg 1996
-Schindler, Herbert:
Reisen in Niederbayern München 1975