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Landkreis (Landratsamt) Neumarkt in der Oberpfalz Beschreibung | |
"Steiler Jura, stille Täler" so ist das Kapitel über die Geologie des Landkreises im Heimatbuch der westlichen Oberpfalz treffend überschrieben. Zwei topographische Merkmale sind es, die den Landkreis Neumarkt kennzeichnen: die Albhochfläche mit den vorgelagerten Zeugenbergen und das etwa 200 m tiefer gelegene Albvorland. Die Hochfläche liegt zwischen 500 und 600 m NN hoch, das Vorland etwas über 400 m. Die höchste Erhebung im Landkreis ist der Dietrichstein mit 627 m. Quer durch den Landkreis zieht die Europäische Wasserscheide, der Norden entwässert zum Rhein-Main-System, der Süden über die Sulz zur Altmühl sowie über Schwarze Laaber und Lauterach zur Donau. Zwei künstliche Wasserstraßen laufen durch den Landkreis: der historische Ludwig-Donau-Main Kanal und der moderne Main-Donau-Kanal. Die Landschaft ist Teil der Fränkischen Alb und wird hauptsächlich von den Schichten der obersten Trias und des Jura aufgebaut, weshalb auch vom Oberpfälzer Jura gesprochen wird. Typische Karstformationen wie steile Felsriegel oder Tropfsteinhöhlen treten allenthalben im Landkreis auf. Die bekannteste Höhle ist die König-Otto-Höhle. Wasserreiche Karstquellen treten z.B. nordwestlich von Dietfurt in der Nähe von Premerzhofen und in der Nähe der Bogenmühle bei Parsberg ans Tageslicht. Eine Besonderheit ist der Quelltopf bei der Oberen Mühle in Mühlbach. Das dortige weitverzweigte Karstsystem wird zur Zeit erforscht. Wie in anderen Juralandschaften litten auch die Bewohner im Landkreis Neumarkt bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg an Wassernot. Sie bedingte eine sehr dünne Besiedelung die sich gebietsweise bis heute erhalten hat: Landkreisdurchschnitt 90 Einwohner/km2 (zum Vergleich liegt ganz Bayern bei über 160). 1938 führte diese Menschenleere dazu, dass im Gebiet um Hohenfels ein riesiger Truppenübungsplatz für die Wehrmacht angelegt wurde, den seit 1945 die Amerikaner bis heute weiterführten und noch ausweiteten. Heute hat der Landkreis Neumarkt rund 130.000 Einwohner in der Großen Kreisstadt Neumarkt und 18 weiteren Gemeinden.
Siedlungsnachweise finden sich im Landkreis Neumarkt seit der Steinzeit, sie deuten aber nicht auf ununterbrochen bewohnte Siedlungen. Aus der Mittleren Bronzezeit (1600-1200 v. Chr.) sind Einzelgehöfte und kleine Weiler nachweisbar (Ausgrabung Thannhausen). In der späteren Bronzezeit wurden größere Ackerflächen über einen längeren Zeitraum bewirtschaftet, was sich aus einem bei Dietfurt ergrabenen Dorf mit 23 Häusern schließen lässt. Spätestens seit den Kelten (450-15 v.Chr.) ist dann ein reiches und vielfältiges Leben nachweisbar. Die Flussnamen Altmühl und Laaber gehen auf diese Zeit zurück. Ab dem 4. und 5. Jahrhundert n.Chr. sind Siedlungen von Germanen nachweisbar (Funde in Forchheim bei Freystadt).
Die weitere Geschichte der Gegend, die heute den Landkreis bildet, gestaltete sich wie die Geschichte der gesamten Oberpfalz (1485 erstmals so genannt als Unterscheidung zur Unteren Pfalz am Rhein) sehr wechselhaft und verschlungen, weil das Gebiet herrschaftlich aufgesplittert und von unterschiedlichen Gewalten geprägt war. Der Nordgau, wie das Land nördlich der Donau Jahrhunderte lang hieß, ist zwar seit dem 7. und 8. Jahrhundert n. Chr. systematisch erschlossenes bayerisches Siedelland, aber wahrscheinlich unternahmen neben den Bayern von Süden her (-ing-Orte) auch die Franken von Westen her (-heim- oder -feld-Orte) große Anstrengungen, das Land urbar zu machen. 743 verlor der Bayernherzog Tassilo die Herrschaft über den Nordgau an das übermächtige Frankenreich, wodurch der Gau zum Reichs- und Königsgut wurde. Dieses ging in der Folge als Lehen an verschiedene Grafengeschlechter, darunter bis zu ihrem Untergang 1218 auch an die Staufer. Mit den Bischöfen von Eichstätt und den Hochstiften Regensburg und Bamberg trat auch die Kirche als Grundeigentümer auf.
Alle trachteten danach, ihren Machtbereich zu festigen, wozu sie Burgen und Schlösser erbauten. So wurde die Oberpfalz zum burgenreichsten Landstrich Deutschlands. Im Landkreis gehören die Burgen Wolfstein und Lupburg zu den eindrucksvollsten Anlagen. Die einzigen größeren und wenigstens in Teilen noch erhaltenen Schlösser im Landkreis stehen in Neumarkt und Parsberg. Andere, wie das Schloss Helfenberg, der früheste barocke Schlossbau der Oberpfalz, der ursprünglich der Familie des berühmten Feldherrn im Dreißigjährigen Krieg, Graf Tilly, gehörte, wurden Anfang des 19. Jahrhunderts auf Abbruch verkauft. Ein paar kleine Landschlösschen, z.B. in Pilsach oder in Breitenbrunn ("Tilly-Schlösschen"), haben sich erhalten.
Seit 1180 gewannen in Bayern die Grafen von Scheyern-Wittelsbach Einfluss, sie schalteten systematisch konkurrierende Grafengeschlechter aus, beerbten sie oder verbanden sich durch Heirat mit ihnen. So weitete sich das von Wittelsbachern beherrschte Gebiet in der Oberpfalz und damit auch im Landkreis Neumarkt ständig aus. Neben den Wittelsbachern gab es einige Landesherren, die sich dem Zugriff der Wittelsbacher entziehen konnten, so der Deutschherren-Orden, die Grafen von Hohenburg, die Edelfreien von Wolfstein, die Herren von Laaber und das Ministerialengeschlecht der Parsberger. Der Einfluss der böhmischen Krone verschwand, als im 15. Jahrhundert die Wittelsbacher das sogenannte Neuböhmen übernahmen, weite oberpfälzische Gebiete, die bis dahin unter die Lehenshoheit der böhmischen Krone gefallen waren. In manchen Gegenden wechselte die Herrschaft mehrmals und damit ab 1550 auch die Konfession. Seit 1583 war die offiziell herrschende Religion der Calvinismus, nach 1628 dann wieder der Katholizismus, nachdem der bayerische Kurfürst Maximilian sich 1621 die Oberpfalz einverleibt hatte, die seitdem dauerhaft mit Bayern verbunden blieb.
Jedoch hielten sich trotzdem protestantische Gebiete, das bekannteste ist das "Landl" mit dem Mittelpunkt Sulzbürg, zurückzuführen auf die Ansiedlung protestantischer Flüchtlinge aus Österreich ("Landl ob der Enns"). Die Herren dieser Gegend waren die sehr toleranten Wolfsteiner, die auch den Zuzug jüdischer und hugenottischer Familien förderten. Davon zeugt noch heute der jüdische Friedhof in Sulzbürg, er zählt zu den schönsten jüdischen Friedhöfen in Bayern.
Im Dreißigjährigen Krieg zählte die Oberpfalz und damit auch das Neumarkter Gebiet zu den am stärksten verheerten Gegenden des Reiches. Auch unter späteren Kriegen litt das Land stark, weil es stets Durchgangsland für die Heere war. Die Altstraßen im Raum Neumarkt, auf denen diese Heere zogen, sind neuerdings von Herbert Rädle in einem Auto-Wanderführer hervorragend dokumentiert worden.
Der Landkreis Neumarkt bot aufgrund seiner weit verbreiteten schlechten Böden und der erwähnten Wasserarmut noch nie Voraussetzungen für eine blühende Landwirtschaft. Bis in die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg galt das Land als Armenhaus. Erst in der neuesten Zeit hat es sich zu einer Wachstumsregion vor den Toren Nürnbergs gewandelt. Sie bietet heute attraktive Standorte für Handwerks-, Handels- und Industriebetriebe, allerdings muss ein erheblicher Teil der Erwerbstätigen in die benachbarten Regionen Nürnberg, Regensburg und Ingolstadt auspendeln, was aufgrund einer guten Verkehrsinfrastruktur (Autobahn und Eisenbahnlinie Nürnberg-Regensburg) wenig Probleme bereitet. In der Landwirtschaft arbeiten noch knapp 10% der erwerbstätigen Bevölkerung, was über dem bayerischen Durchschnitt liegt. Über 70% der Höfe werden im Nebenerwerb bewirtschaftet. 75% der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden als Ackerland, 25% als Dauergrünland genutzt. Die wichtigsten Erzeugnisse sind Getreide und Futterpflanzen, Milch und Schweine sowie Getreide. Besonders gesucht sind Braugerste aus alternativem Anbau und das daraus gebraute Bier. Im Landkreis arbeiten noch sechs mittelständische Brauereien. In der bäuerlichen Hauslandschaft lassen sich drei Gebiete unterscheiden: Im Westen Fachwerk, im Süden Dachdeckungen mit Kalkplatten oder Legschiefer, in der Mitte und im Osten das aus Stein gebaute Wohnstallhaus mit hohem, steilem Dach. Wie in anderen Landkreisen auch verschwinden leider immer noch erhaltenswerte Häuser von der Denkmalliste.
An bäuerlichem Brauchtum haben sich zwei berühmte Pferdemärkte erhalten: der Rossmarkt in Berching und der Pferde- und Fohlenmarkt anlässlich des Neumarkter Volksfestes. Pferdeumritt und Pferdesegnung wurden durch den Reitverein in Leutenbach (Gde. Deining) und in Lengenfeld (Gde. Velburg) wieder aufgenommen. 1982 wieder zum Leben erweckt wurde der erstmals 1928 veranstaltete, aber seit 1954 eingeschlafene "Freystädter Drischeltanz". Hie und da wird der Brauch des Kreuzsteckens auf dem Acker noch ausgeübt. Zwei agrargeschichtlich bedeutende Gestalten hat der Landkreis hervorgebracht: Johann Baptist Lerzer (1833-1917), Sohn eines Bauern, Bürgermeister, Landtags- und Reichtagsabgeordneter, Mitbegründer des Oberpfälzer Bauernvereins und Lorenz Hiltner (1862-1923), Naturwissenschaftler, dessen Lebensaufgabe die Bodenbakteriologie war, womit er den Weg bahnte für die moderne intensive Landwirtschaft. Zuletzt war er Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Pflanzenbau und Pflanzenschutz.
Eine dokumentarische Rarität stellt der "Wappersdorfer Gemeindebrief" vom 13. Juli 1614 dar. Er bestimmte alle Rechte und Pflichten, die ein landwirt-schaftlich tätiger Bewohner von Wappersdorf damals hatte, z.B. beim Viehhüten, dem Ackern oder der Feuerbekämpfung. Dieser Brief erhielt mit der Zeit für viele Dörfer in Bayern Gültigkeit.
Die zum Agrarkulturerbe gehörenden Mühlen sind im Landkreis Neumarkt in einzigartiger Weise dokumentiert worden. Die Autoren Kurt Romstöck (Texte) und Alfons Dürr (Zeichnungen) haben rund 300 Mühlen besprochen und gezeichnet. Nur eine einzige, die Bocksmühle (Gde. Berg) hat heute noch Mahlbetrieb. Die meisten Müller betrieben auch Landwirtschaft, sodass eine Reihe ehemaliger Mühlen heute als landwirtschaftliche Betriebe geführt werden, andere sind zu Hotels und Gaststätten (z.B. Stampfermühle und Gewürzmühle in Berching) oder Reiterhöfen umgebaut worden. An manchen Mühlen ist historische Bausubstanz erhalten geblieben, so an der Eratsmühle (unweit von Traunfeld) Fachwerk im fränkischen Baustil. Die Hammermühle bei Parsberg wurde so vorbildlich restauriert, dass sie heute zu den bedeutendsten Mühlendenkmälern der Oberpfalz gehört und ihre Besitzer mit der Denkmalschutzmedaille geehrt wurden. In der Klostermühle (bei Gnadenberg) wurde 2004 ein Mühlenmuseum eröffnet. Ein weiteres Mühlenmuseum beherbergt die Regnath-Mühle in Dietfurt (Altmühltaler Mühlenmuseum). Die Kreismühle (bei Holnstein) ist eine der wenigen Mühlen Bayerns, die über zwei mittelschlächtige, hölzerne Mühlräder verfügt, die jederzeit in Betrieb genommen werden können, denn die Mahltechnik ist noch komplett erhalten. Mehrere Mühlen hatten eigene Kapellen, eine davon ist die Ulrichskapelle an der Labermühle bei Deining. Die Weißmartersäule in Weichselstein ist ein Beispiel für religiöse Zeichen in Feld und Flur. Das gilt auch vom Rosenfriedhof in Dietkirchen, auf dem Pfarrer Weis seit 1928 über 100 schmiedeeiserne Barockkreuze und mehr als 30 moderne Kunstschmiedekreuze mit einer wunderbaren gärtnerischen Anlage vereint hat. Von agrarkulturellem Wert sind auch einige Forsthäuser, so in Birkenlach und in Dürrenhembach.
Wie überall in Bayern haben auch im Landkreis Neumarkt die Klöster Bedeutendes zur Landeskultur beigetragen. Sie hatten alle umfangreichen Landbesitz, den sie zum Teil heute noch in Eigenregie bewirtschaften, z.B. Kloster Plankstetten bei Berching, das auch eine Schule für Dorfentwicklung beherbergt. Plankstetten gehört wie Kastl, Reichenbach, Waldersbach und Speinshart zu den ältesten Klöstern der "Oberen Pfalz". Kunsthistorisch bemerkenswert sind die Klosterkirchen von Plankstetten (eine querschifflose Basilika von 1138, 1727 barockisiert), von Seligenporten (die einzige bayerische Zisterzienserinnenkirche, Gründungszeit im mittleren 13. Jahrhundert, die so gut wie unversehrt erhalten ist, sie enthält das älteste Chorgestühl Deutschlands) und die Klosterkirche von Gnadenberg (vom Birgittenorden ab 1451 erbaut; in der Reformation wurde der Orden 1563 aufgehoben, 1635 wurde die Kirche ausgerechnet von den Landsleuten der Ordensgründerin Birgitta von Schweden in Brand geschossen. Heute stehen noch die Umfassungsmauern des Langhauses, die in Süddeutschland nicht ihresgleichen haben).
Die große Zeit der Wallfahrten waren für die Oberpfalz die Jahrzehnte um 1700 als das nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges darniederliegende kirchliche Leben langsam zu neuer Blüte erwachte. Fast ein Dutzend bedeutendere Wallfahrtskirchen gibt es im Landkreis Neumarkt. St. Wolfgang bei Velburg wird das oberpfälzische Altötting genannt, seine Kirche fußt auf einem Bau von 1467, 1757 entstand die heutige Flachdecke, ein vollständiger Altar des späten Mittelalters steht im Kirchenraum. Die älteste und bedeutendste Marienwallfahrt entstand im Gefolge der Hussitenkriege (1419-1436) in Trautmannshofen. Die Wallfahrtskirche Maria Hilf bei Freystadt, ein mächtiger Kuppelbau, gilt als das einzige Kunstdenkmal des Landkreises von weit überregionaler Bedeutung (Baumeister Viscardi, Gebrüder Asam). Auf dem Habsberg, dem höchsten Wallfahrtsberg der westlichen Oberpfalz (621 m), steht die Kirche "Heil der Kranken".
Museen, die auch agrarkulturelles Erbe ausstellen, gibt es in Berching, Dietfurt an der Altmühl, Mühlhausen-Sulzbürg, Neumarkt, Parsberg, Postbauer-Heng und Pyrbaum.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche |
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Literatur | |
- | | Augsburger, Helmut: Landkreis Neumarkt i.d.Opf. Das große Heimatbuch der westlichen Oberpfalz Regensburg 1997 |
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- | | Rädle, Herbert: Unterwegs auf Altstraßen im Raum Neumarkt. Ein Auto-Wanderführer In: (= Neumarkter Historische Beiträge Band 6) Neumarkt 2005(?) |
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- | | Rädle, Herbert; Enzmann, Günther: Burgen und Burgställe im Kreis Neumarkt. Ein Führer zu historischen Stätten (Hrsg. v. Landkreis Neumarkt i.d.Opf..) Neumarkt 2001(?) |
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- | | Romstöck, Kurt; Dürr, Alfons: Die Mühlen im Landkreis Neumarkt i.d.Opf. Neumarkt 2004 |
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- | | Schmidt, Otto: Herzogtum Neumarkt ist die "Obere Pfalz" In: Oberpfälzer Heimatspiegel 29 (2005), S. 46-51 |
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