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Firmkäs, Michaela, M.A. - Ortsheimatpflegerin

EnsembleDer Mühlenweg
(Denkmal)
Entstehungszeitraum1445
OrtNußdorf am Inn
Internetdarstellunghttp://www.nussdorf.de/index.php?id=0,125
BeschreibungEs gibt Haufendörfer und Straßendörfer. Nußdorf dagegen könnte man als Bächedorf bezeichnen. Seine Ortsstruktur ist geprägt vom Steinbach und vom Mühlbach. Der Ortskern entwickelt sich entlang dem Mühlbach. Und das liegt wohl an den Möglichkeiten. die dieses Wasser bot! Der Mühlbach ist künstlich angelegt. Das Wasser wird am Ausgang des Mühltales vom Steinbach abgeleitet und diesem wieder zugeleitet, bevor es in den Inn fließt. Der Mühlbach zieht 2 km durchs Dorf, hat eine Fließgeschwindigkeit von 425 l/sec und ein Rohgefälle von 41m. Kluge Leute haben ihn angelegt, denn er wurde zu einer Erwerbsquelle für viele Familien und Generationen im Dorf. Weder die Erbauer noch der genaue Entstehungszeitpunkt sind bekannt. Aber ein Steuerregister von 1445 nennt einen Steffel Mülner, der für seine Mühle zahlt, und einen Chünzl Ledrer. seines namens Gerber. Der Müller musste schwere Mahlsteine bewegen und der Lederer benötigte große Mengen an Kleingeheckselter Rinde und an Wasser zum Gerben der Häute. Da war so ein Mühlkanal die beste Unterstützung. Natürlich hätte dem Müller auch ein Göpel den Dienst getan. Aber nicht nachdem das Wasserrad bereits erfunden war und Wasser in rauen Mengen aus den Bergen strömte. Übrigens ist im selben Steuerregister der Mülner aus dem Mühltal genannt, der bis heute Wasser in einem eigenen Kanal zum Betrieb eines Wasserrades vom Steinbach ableitet. Seine Mühle befindet sich im Weiler Mühlthal an der Straße von Nußdorf nach Eßbaum durch das Mühltal. In einer Volksbeschreibung von 1552 ist ein dritter Getreidemüller in der Hauptmannschaft Nußdorf genannt. Alle drei konnten 400 Jahre lang nebeneinander bestehen. Ein jeder hatte einen Ölschlag dabei und die beiden Müller im Dorfbetrieben später je ein Sägewerk dazu. Sie erhielten ihre Hausnamen nach dem Mühlbachverlauf: Obermühle und Untermühle. Beide arbeiteten jahrhundertelang mit 3 Steinmahlgängen. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen haben viele Müller ihre Betriebe modernisiert: Walzenstühle ersetzten die Steinmahlgänge, Geräte zur Getreidereinigung und Mehlsortierung kamen dazu. Das benötigte Platz. Die Gebäude wurden aufgestockt. Um konkurrenzfähig zu bleiben. investierten auch der Ober- und der Untermüller kräftig. Nach dem 2. Weltkrieg verschlechterte sich die Auftragslage. Der Untermüller mahlte noch bis 1958, der Obermüller bis 1972. Der Müller in Mühlthal blieb bei seinen zwei Steinmahlgängen. 1935 baute er einen Plansichter ein. um die neuen Ansprüche zu erfüllen, und stockte dafür das Gebäude auf 1948 stellte auch er seinen Betrieb ein. Ein Sägewerk arbeitete schon 1484 in Nußdorf. Sein Standort wird beschrieben als liegt oben an das Dorf. Vermutlich ist damit der Sagmeister gemeint. Bis 1960 schnitt das Gatter mit einem Sägeblatt in der Tradition der sogenannten Venetianersägen. Sie war die letzte ihrer Art nördlich der Alpen, noch funktionsfähig und am ursprünglichen Standort. 1754 teilte sich der Sagmeister die Jahresproduktion von Sagprigl mit der Sag zu Mühlhausen. Im 19. Jahrhundert nutzten neben dem Sagmeister allein am Mühlbach in Nußdorf sechs weitere Sägewerke die Wasserkraft: der Obermüller (seit ca. 1799), der Unterroßner (mindestens seit 1856), der Baumgartner (später Fischer, seit 1858), der Steiner (später Voggenauer, seit 1863), der Untermüller (seit 1873) und der Adamer (seit 1888). Das Holz kam aus den umliegenden Bergen und wurde bis 1938 auf dem Inn aus Tirol geflößt. Zwei der Sägewerke (Adamer, Fischer) schneiden heute noch mit dem Mühlbach. Wasserräder sind längst Vergangenheit! Beide Werke ziehen die Energie aus dem Wasser mittels Turbinen. Generatoren wandeln sie um in Elektrizität. die wiederum die Maschinen laufen lässt. Beiden Werken ist durch die nachfolgende Generation die Zukunft gewiss. Neben der Holzverarbeitung hatte auch die Gipsherstellung eine Blütezeit im Nußdorf des 1 9. Jahrhunderts. 803 baute Andreas Lagler aus der Gritschen den ersten Gipsstampf gegenüber der Sagmeistersäge. Damit stellte er die Gipsproduktion auf eigene Füße. Bisher brachten die Steinesammler und -brecher die gebrannten Steine zu den drei Getreidemüllern mit Ölstampf Dort wurden die Steine zerkleinert und gemahlen. Der Reitstätter (seit 1815), der Unterroßner (seit 1823) und der Lipp (ca. 1848) zogen mit dem Lagler mit. Den Rohstoff fanden sie am Heuberg und im Steinbach. Das Endprodukt wurde in Holzfässern auf dem Inn verschifft. Nußdorfer Gips war bei Stuckateuren und Baumeistern sehr beliebt. Das Handwerkszeug für all diese Betriebe und ihre Zulieferer kam ebenfalls aus heimischer Produktion. Vier Schmiedewerkstätten gab es in Nußdorf. Davon nutzten zwei den Mühlbach zum Betrieb des Hammerwerks, des Schleifsteins und des Blasebalgs. 1612 versteuert Wolf Schmidt sein Schmidtzeug. sein Anwesen trägt später den Hausnamen Neuschmid. Der Neuschmid hatte eine Huf- und Wagenschmiede. Er versorgte Zugtiere mit Hufeisen und pflegte deren Hufe. Er fertigte die Eisenteile für Handkarren. Fuhrwerke und Schlitten und vor allem die Eisenreifen für die Holzräder. Anfang des 20. Jahrhunderts erweiterte er sein Repertoire auf die Herstellung der Wagnerprodukte. In den 50er Jahren drängten Traktoren und gummibereifte Ackerwägen das traditionelle Handwerk vom Markt. Hans Neuschmid (1914-1989) blieb dem Werkstoff Eisen treu. Er stellte um aufeine Mechanische Werkstätte für Fahrräder und Mopeds. Die zweite Schmiede war eine Hammerschmiede. 1 794 wurde sie am so genannten Stein am Mühlbach erbaut (Hausname Steinschmid). Seit 1 606 stand sie in der Nähe vom Müller in Mühlthal und nutzte eventuell denselben Kanal wie die Getreidemühle. Nach Zerstörung der Schmiede suchte sich der Hammerschmied einen günstigeren Standort für seine Werkstatt. Zwei Wasserräder im Mühlbach betrieben zwei Schwanzhämmer und einen Schleifstein mit 2m Durchmesser. Damit stellte der Hammerschmied hauptsächlich Werkzeug für die Land- und Forstwirtschaft her. Der letzte Harnmerschmied Johann Zaunbos (1 872-1958) war weithin bekannt für seine Qualitätsarbeit. Der Lederer hatte eine singuläre Stellung am Triebwerkskanal. Wie bereits erwähnt, ist er schon 1445 genannt. Zur Herstellung von Leder benötigte er Gerbsäure. Diese gewann er aus Fichten- und Eichenrinde, die er mit einer so genannten Lohmühle zerkleinerte. Diese Maschine wurde durch ein Wasserrad angetrieben. Bis 1 93 5 übte der Lederer von Nußdorf sein Handwerk aus. Über eine Transmission wurden auch Geräte seiner Landwirtschaft durch Wasserkraft in Bewegung gesetzt: Gsotmaschine, Windmühle, Obstpresse und Butterfaß. Eine Dreschmaschine per Wasserkraft besaßen der Obermüller (ab 1 869) und der Wirt (später "Schneiderwirt", seit 1823). Der Lupichler erwarb sich extra ein Stück Land am Mühlbach, um dort 1838 ein einzigartiges Beispiel der Mühlenbaukunst zu errichten. Er ließ das Getreide in einem Rondell von Stampfen dreschen. die über eine Noppenwelle durch ein unterschlächtiges Wasserrad auf und ab bewegt wurden. 1925 wurde das Bauwerk abgerissen. Ein ganz "neues" Produkt hielt 1888 Einzug in Nußdorf: Die Elektrizität. Sie war 6 Jahre zuvor durch die Internationale Elektrizitätsausstellung in München der (bayerischen) Öffentlichkeit vorgestellt worden. Der Adamer betrieb sein Sägewerk am Mühlbach von Anfang an mit Strom! Auch elektrisches Licht gab es bald. Der Untermüller hatte bereits 1894 eine Glühlampe brennen. Und ab 1895 erstellte Adamer das erste Stromnetz im Dorf Der Mühlbach brachte die Energie und Wolfgang Adamer (1867-1953) den Mut, sich auf etwas derart Neues einzulassen. So war Nußdorf der allgemeinen Stromversorgung auf dem Land, die sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelte, einen Schritt voraus. Der Mühlbach war und ist ein wichtiger Energielieferant. Als Kanal im Dorf erfüllte er noch weitere Aufgaben. Besonders den Anliegern bot er verschiedene Annehmlichkeiten. Er hatte fast immer Wasser parat, um einen Brand zu löschen, die Pflanzen zu gießen oder die Tiere zu tränken. Überflüssiges. wie Regenwasser vom Dach oder Abwasser. transportierte er ab. Der Bauer kühlte die Milch darin, der Schmied das Eisen. Die Hausfrau spülte Wäsche. Teppiche und Stailfenster, der Lederer die Häute. Die erste öffentliche Badeanstalt in Nußdorf, das Georgibad, wurde mit Mühlbachwasser gereinigt und gefüllt. Man traf sich am Mühlbach zu täglichen Verrichtungen. Die sozialen Kontakte, beginnend mit einem kleinen Ratsch. blieben da nicht aus. Anziehungskraft hat das Wasser immer noch auf Kinder. Als Spielplatz allerdings ist er nicht ungefährlich. Der Mühlbach brachte auch Zusammengehörigkeit im Dorf. Verschiedene Menschen nutzten ein und dieselbe Quelle zu ihrem Lebensunterhalt. Gemeinsam waren sie verantwortlich dafür, daß die Quelle nicht versiegte. Als um 1800 die Anzahl der Wasserräder stieg, machte man sich daran, die Unterhaltungsregelung für den Triebwerkskanal schriftlich zu vereinbaren. Ein jeder sollte je nach Größe seines Betriebes auch Anteile des Kanales unterhalten. 1870 war ein neuer Vertrag notwendig geworden. Die Nutzung des Mühlbachs hatte seinen Höhepunkt erreicht. 15 Betriebe hatten sich angesiedelt. Sie bildeten eine Mühlbach-Genossenschaft. Ihr Vertreter nach außen hin war der Wuhrmeister. Dieser hatte auch die Aufsicht über den Kanal, ordnete nötige Reparaturen an und regulierte den Durchfluß des Wassers. Der Mühlbach ist ein nicht wegzudenkendes Element der Gemeinde. Sein frisches Gebirgswasser bringt Leben ins Dorf! Die Bebauung zu beiden Seiten des Mühlbachs ist als Ensemble in die Denkmalliste eingetragen. Es besitzt neben seinen großen malerischen Werten vor allem technik- und wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung. (Text von Michaela Firmkäs)
Erhaltungszustand1
wird genutzt
- touristisch attraktiv -